Coole Kleidung für Spitzenleistungen kann weit mehr, als einfach nur gut aussehen: Dank einer Vielzahl von smarten Technologien analysiert High-Tech-Bekleidung heute Körperfunktionen oder optimiert aktiv das Mikroklima. Als Basis dieser neuen Textilien dienen "smarte" Fasern und biokompatible Verbundwerkstoffe, die als Sensoren, Medikamentenabgabesysteme oder Gewebeersatz auch in der Medizinforschung zu Innovationen beitragen.
Nicht nur im Sommer kann es beim Sporttreiben heiß werden, denn auch Sport im Winter hat seine Tücken. Draußen ist es bitterkalt und warme Kleidung ist gefragt. Bewegt man sich jedoch intensiv, setzt die körpereigene Klimaanlage ein: Die Haut sondert literweise kühlenden Schweißes ab. Damit wir dann bei der wohlverdienten Pause nicht in der nassen Bekleidung frieren, haben Empa-Forschende in St. Gallen in Zusammenarbeit mit Industriepartnern eine elektroosmotische Membran entwickelt, die die Bekleidung (und Sporttreibende) trocken und somit auch warmhält.
Ob Jacken und Hosen bequem zu tragen sind und die Körperwärme angenehm abgeben, lässt sich mittlerweile dank virtueller Modellierungen vorhersagen. Empa-Forscherin Agnes Psikuta und ihr Team vom "Biomimetic Membranes and Textiles"-Labor in St. Gallen in der Schweiz haben hierzu eine Software erarbeitet, die Stoffeigenschaften, Körperbau und isolierende Luftpolster zwischen Haut und Kleidung einberechnet.
"Anhand eines anatomisch individualisierbaren Avatars lässt sich simulieren, wie ein Kleidungsstück am Körper anliegt, und welche thermischen Auswirkungen es hat, sogar wenn sich der Mensch bewegt", erklärte Psikuta das Verfahren. So kann ein Schnittmuster für einen Anzug bereits am Avatar optimiert werden, bevor dieser aus echtem Tuch genäht wird. Es gibt aber auch Anzüge, deren Trägerschaft sich vor äußerlicher Hitzeeinwirkung schützen muss: Die Schutzkleidung von Feuerwehrleuten muss thermoisolierend, feuerfest, wasserdicht und noch dazu atmungsaktiv sein, darf dabei aber weder allzu schwer noch unflexibel sein. Isolierende Luftpolster sind daher von zentraler Bedeutung. Mittels anatomischer Puppen – sogenannter Manikins – kann derartige Schutzbekleidung im Labor optimiert werden. "So können wir in realitätsnahen Experimenten herausfinden, wie sich die Isolation in einem Schutzanzug verändert, je nachdem, ob der Träger gerade im Knien mit dem Löschschlauch aufs Feuer zielt oder auf allen Vieren durch ein brennendes Gebäude kriecht", erläuterte Psikuta.
Um Bewegung geht es auch bei einem Kleidungsstück, das auf der Basis von Holz entworfen wurde: Innerhalb des Projekts "D-Sense" entsteht ein flexibler Gelenksensor aus Nanocellulose. Der 3D-gedruckte Sensor aus nachwachsenden Rohstoffen ist bioverträglich und liegt direkt auf der Haut. Elektrisch leitfähig ist er, da die Nanocellulose-Tinte beim 3D-Druckverfahren mit Silber-Nanodrähten versetzt ist.
Als Einlegesohle beispielsweise im Sportschuh von Hochleistungssporttreibenden getragen, misst der Sensor unter anderem Belastung, Druck und Krafteinwirkung, sodass sich die Bewegung der Gelenke exakt analysieren lässt. "Gerade aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften eignet sich Nanocellulose besonders gut, um neue Verbundwerkstoffe zu kreieren", sagte Gustav Nyström, der das Empa-Labor für "Cellulose & Wood Materials" in Dübendorf leitet. Der mehrschichtige Sensor ist denn auch eines der Projekte des strategischen Fokusbereichs "Advanced Manufacturing" des ETH-Bereichs. Die Anwendung eines derartigen Gelenksensors könnte künftig zudem bei PatientInnen mit Gelenk-Implantaten eingesetzt werden, um den optimalen Heilungsprozess zu begleiten.
Auch andere High-Tech-Kleidungsstücke bieten sich für den Einsatz in der modernen Medizin an. So sind beispielsweise selbst bei scheinbarer Unbeweglichkeit, etwa im Schlaf, viele Muskeln aktiv: Das Herz schlägt unaufhörlich, und der Brustkorb hebt und senkt sich. Wie aber schlägt das Herz im Schlaf? Und stockt der Atem, oder geht er ruhig und stetig durch die Nacht?
Empa-Forschende haben einen Cardio-Gurt entwickelt, der dank gestickter Elektroden die Herztätigkeit über die ganze Nacht aufzeichnen kann. Mit der Empa-Plasmabeschichtungsanlage wurden Nanometer-feine metallische Schichten auf die Stickfäden appliziert, wodurch sie leitfähig, hautverträglich und waschbar sind. Verwendet wird das anschmiegsame Messgerät beispielsweise bei Menschen, die während des Schlafs an Schlafapnoe leiden.
Weitere klinische Anwendungen des Sensor-Gurts finden derzeit mit Partnern aus der Industrie und dem Medizinbereich statt. So soll der EKG-Gurt – ergänzt mit Sensorik zur Messung der Körpertemperatur – die Diagnose von Demenzerkrankungen wie Alzheimer unterstützen, da die Langzeitmessung von Vitalparametern Hinweise auf die kognitive Hirnleistung geben kann. Gemeinsam mit Forschenden der Université de Haute-Alsace in Mulhouse arbeitet das Empa-Textilforschungsteam auch daran, Textilien mit weiteren Sensoren zu bestücken. So kann das Einsatzgebiet in Medizin und Sport und der Tragekomfort noch zusätzlich erweitert werden.
"Wir werden ein komplettes Kleidungsstück, etwa ein T-Shirt, mit Sensoren für die Analyse verschiedener Gesundheitsparameter ausstatten", so Simon Annaheim. Das Herzstück für die Messung weiterer Parameter wie Atemfrequenz oder Sauerstoffsättigung sind dabei optische Polymerfasern, die im Schmelzspinnverfahren hergestellt werden.
Da sich das Mikro-Design von Textilfasern durch verschiedene Spinnverfahren präzise steuern lässt, entwickeln Empa-Forschende zudem Membranen, die biologischen Geweben ähneln. Polymermembranen aus hochelastischen Kern-Mantelfasern werden beispielsweise mit menschlichen Zellen besiedelt, so dass ein mehrschichtiges, funktionstüchtiges Gewebe heranwachsen kann. Diese "lebenden Membranen" sollen dann die innere Oberfläche von Herzpumpen als "Tarnkappe" auskleiden, damit der Körper das Gerät besser annimmt und Fehlfunktionen vermieden werden.
Polymerfasern lassen sich zudem zu Sensoren für flüchtige Stoffe in der Atemluft verarbeiten. Das Team um Luciano Boesel stellte mittels Elektrospinnen mehrschichtige Polymermembranen her, die bestimmte Gase im Atem aufspüren sollen. "Flüchtige Amine entstehen bei bakteriellen Infektionen wie einer Lungenentzündung oder einer chronischen Nierenerkrankung", so Boesel. Sein Team entwickelt nun einen hochsensitiven Amin-Sensor, der Spuren von verschiedenen Aminen in der Atemluft anzeigen soll, um so Erkrankungen möglichst früh und nichtinvasiv zu diagnostizieren.
Textile Fasern können aber auch in Form von Smart-Pflastern frühzeitig einen gestörten Heilungsverlauf bei komplexen Wunden anzeigen. Außerdem können sie Substanzen wie Antibiotika, Schmerzmittel oder natürliche Heilmittel freisetzen. Damit die Dosierung dieser Wirkstoffe präzise abläuft, haben die Forschenden einen trickreichen Kontrollmechanismus erdacht: Ein leichter Druck auf den Verband oder ein Lichtsignal steuert die Abgabe der Medikamente. Auch chemische Reize vom PatientInnen, wie der veränderte pH-Wert einer Wunde, können die Medikamentenabgabe auslösen.
Noch tiefer in die Mikro- und Nanostruktur unserer Kleidung dringt der Empa-Forscher Amin Sadeghpour vor. Er konstruiert winzige Nanowürfel, die einer Zellmembran nachempfunden sind. Mit einer Kantenlänge von rund 10 Nanometern fassen die Würfel zwar nur kleinste Mengen an Wirkstoffen. Allerdings ist es dank ihres Aufbaus aus kleinen Röhrchen möglich, verschiedene Substanzen gemeinsam zu verpacken, die normalerweise nicht mischbar wären. Dies bietet sich für die Kombination mehrerer Medikamente oder Vitamine an. Zusammengefasst werden die biokompatiblen Würfel in Nano-Taschen, sogenannten Cubosomen. Sie lassen sich beim Elektrospinn-Prozess an Fasern anheften, mit denen Wundverbände oder pflegende Textilien hergestellt werden können.
Anhand dieser Nano-Elemente, biokompatiblen Materialien und smarten Fasern lassen sich künftig Kleidungsstücke herstellen, die nicht nur dem Avatar perfekt passen, sondern auch in Sport und Medizin zu Spitzenleistungen führen.