Künstliche Intelligenz - das Wort dürfte bei vielen Menschen erst einmal Verunsicherung hervorrufen. Was genau passiert in den nächsten Jahren wo und wie? Sicher scheint: KI wird das Berufs- und Privatleben verändern.
Wir tragen sie längst in der Hosentasche mit uns rum oder haben sie im Wohnzimmer stehen - Millionen Bundesbürger haben bereits jeden Tag Kontakt zu künstlicher Intelligenz, wenn auch nur durch Siri im Telefon oder den Sprachassistenten Alexa. Doch die Unsicherheit ist groß: Vom Schreckensszenario "Maschinen übernehmen die Welt" bis hin zur Angst um Arbeitsplätze. Zugleich gewinnt künstliche Intelligenz in fast allen Lebensbereichen rasant an Bedeutung. Vor allem die Industrie setzt große Hoffnungen in einen Markt, der - zumindest in Deutschland - vielfach noch in den Kinderschuhen steckt.
KI ist ein Überbegriff - für unterschiedliche Maschinen und Programme, die ähnlich wie Menschen selbstständig lernen, urteilen und Probleme lösen können. Computer lernen, indem sie gewaltige Datenmengen auswerten. Ausgefeilte Algorithmen können in Bildern, Texten oder gesprochener Sprache Muster erkennen, anhand dieser Ereignisse vorhersagen und Entscheidungen treffen. So können sie inzwischen sogar auch Emotionen in menschlichen Gesichtern erkennen, zu eigenen Emotionen, Mitgefühl und echter Kreativität sind sie aber (noch) nicht fähig.
Lernende Systeme stecken nicht nur in der Spracherkennung von Apple und Amazon. Es gibt einen Google-Assistenten, der - deutlich authentischer als Siri und Alexa - Friseurtermine buchen kann. Auch, dass Handys Fotos nach bestimmten Merkmalen anzeigen - etwa alle mit Autos oder Palmen oder bestimmten Personen - liegt an Künstlicher Intelligenz. In Rasenmäher- oder Staubsaugerrobotern ist sie ebenfalls verbaut. In modernen Autos lassen sich Navigation, Telefon und Klimaanlage dank KI über die Sprache und teils sogar über Gesten steuern, auch in Einpark- und Spurhalteassistenten steckt Künstliche Intelligenz.
In der Medizin soll KI bei der Früherkennung von Krebs unterstützen, Roboter führen Teile von Operationen schon jetzt wesentlich präziser durch als ein Chirurg. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz arbeitet unter anderem an Exoskeletten, die zum einen an unzugänglichen Orten wie in Tiefsee oder Weltraum eingesetzt werden könnten, die aber auch Pflegekräften die körperlich anstrengende Arbeit erleichtern sollen.
Die lernenden Algorithmen sollen auch den Finanzmarkt erobern und die Aktienauswahl von Fonds steuern. In der Landwirtschaft arbeiten die Wissenschaftler an Systemen, die erkennen, ob Kartoffeln von Krankheiten befallen sind - der Einsatz von Fungiziden soll dadurch deutlich reduziert werden. Wohl bekanntester Einsatzbereich ist autonomes Fahren. KI muss dafür nicht nur Stoppschilder erkennen, sondern Gefahren vorhersehen - zum Beispiel antizipieren, dass einem Ball, der zwischen parkenden Autos auf die Straße rollt, ein Kind hinterlaufen könnte.
Weltweit führend bei der KI sind die USA und China mit Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook, Apple, Alibaba oder Huawei. "Sie alleine investieren jedes Jahr Milliarden in KI", sagt der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg. Deutschland sei zwar in der Grundlagenforschung viele Jahre Weltspitze. "Aber es entstanden daraus zu wenige Produkte." Industriepräsident Dieter Kempf sieht dennoch eine gute Ausgangsposition: "Wenn es uns in Deutschland gelingt, unser Industrie-Know-how mit KI-Know-how zu verbinden, werden wir uns eine hervorragende Wettbewerbsposition sichern."
Die Bundesregierung will Forschung und Anwendung Künstlicher Intelligenz bis 2025 mit drei Milliarden Euro unterstützen - und baut darauf, dass Wirtschaft, Wissenschaft und Länder mindestens noch einmal genauso viel investieren. Unter anderem soll ein Netz von mindestens zwölf vernetzten Forschungszentren aufgebaut werden. An den Hochschulen werden 100 zusätzliche Professuren eingerichtet. Mittelständische Unternehmen sollen bei Tests unterstützt werden. Außerdem sollen mehr Daten zur Verfügung stehen, mit denen KI-Systeme lernen können.
In fast allen Branchen, sagen Wirtschaftsverbände. KI werde wichtig dort, wo Daten gesammelt und interpretiert werden können, dies treffe nahezu auf die gesamte Wirtschaft zu. Auch Berg sagt: "Künftig wird es kaum noch Produkte oder Dienstleistungen geben, die nicht auf die eine oder andere Weise KI-Technologie nutzen." KI werde Grundlage für die Entwicklung autonomer Autos ebenso wie für eine effiziente Logistik mit optimaler Routenplanung. Und in der Fertigung seien KI-Systeme in der Lage, Fehler in Bauteilen automatisch zu erkennen.
Braucht man künftig noch Taxi- oder Busfahrer, wenn Autos und Busse autonom fahren? Und was passiert in den Fabriken? Die Wirtschaft versucht, Ängste zu nehmen. Zwar bringe es der technische Fortschritt mit sich, dass manche Tätigkeiten wegfallen und andere neu entstehen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben. DIHK-Umfragen aber deuteten unterm Stich auf keine Beschäftigungsverluste hin.
Die Anforderungen an die Beschäftigten jedoch werden steigen. "KI wird in unser Berufsleben ebenso wie in unser Privatleben einziehen", sagt Berg. "Dabei wird Künstliche Intelligenz in absehbarer Zukunft in den allermeisten Fällen niemandem die Arbeit komplett abnehmen, sondern uns bei unserer Tätigkeit unterstützen."
Bis KI flächendeckend eingesetzt wird, dürfte es noch dauern. Erst 20 Prozent aller deutschen Unternehmen wenden KI an, 30 Prozent befinden sich noch in der Entwicklungsphase, so der BDI. In einer Bitkom-Befragung geben zwei Drittel der Firmen an, dass KI spätestens in zehn Jahren die Gesellschaft spürbar verändert haben wird.