Patientinnen und Patienten in Baden-Württemberg können sich seit vergangenem Jahr per Telefon oder Videochat von ihren Ärztinnen und Ärzten beraten lassen. Für ein Rezept müssen sie bislang aber trotzdem noch in eine Praxis gehen. Das soll sich jetzt mit dem E-Rezept ändern.
Vom eigenen Sofa aus per Videochat mit der Ärztin oder dem Arzt sprechen und das elektronische Rezept im Anschluss an eine Apotheke senden: Für Menschen in der Region Stuttgart und im Kreis Tuttlingen ist das ab November möglich. Wenn der Test positiv verläuft, soll es das E-Rezept ab 2020 in ganz Baden-Württemberg geben. Die Landesapothekerkammer und der Landesapothekerverband Baden-Württemberg haben dafür einen Fachdienst - eine Art digitalen Speicher - entwickelt. Das Programm trägt den Namen "Gerda" (Geschützter e-Rezept-Dienst der Apotheken).
Teilnehmende Ärztinnen un Ärzte können die verschlüsselten Rezepte darauf sicher ablegen, wie der Präsident der Landesapothekerkammer, Günther Hanke, sagte. Anschließend können Patientinnen und Patienten darauf zugreifen und es an Apotheken ihrer Wahl schicken. Der Ablauf für die Apotheken bleibe im Grunde gleich, aber das Papier falle weg.
"Ich verspreche mir davon eine wesentlich sicherere und bessere Abwicklung", sagte Hanke. Mit dem E-Rezept könnten auch Fehler vermieden werden: "Wenn beim Ausstellen des Rezepts zum Beispiel ein Kreuzchen falsch gesetzt wird oder die Unterschrift vergessen wird, wird man bei dem digitalen Formular direkt vom System darauf hingewiesen."
Das E-Rezept ist an das Telemedizinangebot "docdirekt" der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gebunden. Angeboten wird die Beratung per Telefon oder Videochat seit gut einem Jahr. Es richte sich an Menschen, die in Baden-Württemberg wohnen oder sich hier aufhalten, sagte ein Sprecher der Vereinigung.
Manche Menschen hätten beispielsweise keine feste Hausärztin beziehungsweise keinen festen Hausarzt oder seien in einer Situation, in der sie keine Zeit hätten, lange im Wartezimmer zu sitzen - beispielsweise Eltern mit kleinen Kindern. "Unser erster Anrufer zwei Minuten nach der Freischaltung im vergangenen Jahr war ein Vater mit einem kranken Kind", sagte der Sprecher. Aber auch aus dem Urlaub heraus könne man "docdirekt" nutzen, wenn man lieber ärztlichen Rat aus Deutschland wolle.
Wer bei "docdirekt" anruft, landet zunächst bei Medizinischen Fachangestellten, die den Fall aufnehmen und ihn in ein Portal stellen. Dort sehen ihn die derzeit rund 40 teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte, und wer als Erster Zeit hat, meldet sich per Telefon oder Videochat bei der Patientin oder dem Patienten.
Möglich sei das deshalb, weil die Landesärztekammer in Baden-Württemberg das Fernbehandlungsverbot aufgehoben und bestimmte Behandlungen zugelassen habe, sagte der Sprecher weiter. Bislang sei das Angebot gut angenommen worden. "Im Augenblick haben wir 2.000 Anrufe pro Monat." Allerdings führten nicht alle Anfragen auch zu einer ärztlichen Beratung - es gebe zum Beispiel auch Anruferinnen und Anrufer, die sich nur darüber informieren wollten, wie "docdirekt" funktioniere.
Das einzige Manko bisher: Es durfte zwar beraten, aber keine Medikamente verordnet werden. Das ändert sich nun mit dem E-Rezept.
Für Patientin und Patient habe das einige Vorteile, sagte Hanke. "Er kann beispielsweise direkt mit der Apotheke kommunizieren: Habt ihr alles da, wann kann ich die Medikamente abholen? Aber auch: Könnt ihr sie mir vorbeibringen?"
Wie viele Menschen das E-Rezept nutzen werden, lässt sich nach Hankes Angaben schwer vorhersagen: "Man weiß ja vorher nicht, wie die jeweiligen Diagnosen sind und ob Medikamente gebraucht werden." Derzeit werde bei rund 80 Prozent der Arztbesuche ein Rezept ausgestellt. "Wir gehen davon aus, dass es beim E-Rezept bei 50 bis 80 Prozent der Behandlungen der Fall sein wird."