Wie sehr ein aufgeklärter Konsument sich selbst von gefühlten Qualitätsverheißungen beeinflussen lässt, war Gegenstand einer aktuellen Arbeit der Hochschule Düsseldorf: In 76 wissenschaftlichen Experimenten, meist in Zusammenarbeit mit Studierenden durchgeführt, untersuchten die WissenschaftlerInnen, ob die Beurteilung von Menschen oder Konsumprodukten durch einen von 28 betrachteten Einflussfaktoren wie Bezugsgruppe, Farbe, Markeneffekt, Preis, Gütesiegel oder Produktinformationen manipuliert werden kann. Das Ganze könnte sogar Relevanz für verblindete und offene Studiendesigns in der Medizin haben: Stichworte Placebo- und Nocebo-Effekt!
Ein Experiment untersuchte etwa die Einschätzung von handwerklich hergestellten Produkten im Vergleich zu Industrieware. In einem Blindtest und einem offenen Test wurden eine Metzger-Fleischwurst und eine Wurst vom Discounter durch ProbandInnen beurteilt. Das Resultat: Im Blindtest waren die Ergebnisse hinsichtlich Geschmack, Aussehen, Konsistenz und Würze absolut identisch.
In einem offenen Test, in dem andere ProbandInnen ihre Beurteilung abgaben, wussten die Versuchspersonen, dass die eine Fleischwurst vom Metzger und die andere vom Discounter stammte. In diesem offenen Test hingegen wurde die Fleischwurst vom Metzger in allen Dimensionen mit einem hochsignifikanten Unterschied deutlich besser beurteilt.
Es ist also anzunehmen, dass das Ansehen eines Metzgers als Handwerker so hoch ist, dass die dort hergestellten Produkte im Vergleich zur Industrieware vom Discounter qualitativ unbewusst und automatisch besser eingestuft werden.
In einem weiteren Test sollte herausgefunden werden, ob sich Testpersonen von einem kommunizierten Mindesthaltbarkeitsdatum in ihrer Geschmacksbewertung beeinflussen lassen. Als Versuchsobjekte wurden hier Naturjoghurts ausgesucht, von denen einer vermeintlich abgelaufen war. Auf das Mindesthaltbarkeitsdatum wurde nur auf einem kleinen Schild hingewiesen, auf dem noch weitere (aber für den Versuch nicht relevante) Informationen zu den getesteten Produkten standen. Was die Probanden nicht wussten: Beide Produkte waren identisch und die Mindesthaltbarkeit noch nicht abgelaufen.
Das Wissen um die Haltbarkeit hat allerdings einen deutlichen Unterschied in der Geschmacksbewertung verursacht. Offensichtlich löst die Vorstellung, ein Produkt mit abgelaufener Mindesthaltbarkeit könnte nicht mehr genießbar sein, im Gehirn vielfältige Reaktionen aus und beeinflusst die Geschmackswahrnehmung deutlich. Im Experiment haben einige Probanden nur mit Widerwillen die "abgelaufenen“ Produkte getestet. Einer Testperson wurde dabei sogar übel. Die psychologische Erklärung für diese Wirkung basierte auf dem Placeboeffekt, genauer gesagt auf dem Nocebo-Effekt: Eine negative Erwartungshaltung löste eine negative Wirkung aus.
Somit darf begründet angenommen werden, dass zwischen der objektiven (Ergebnisse in Blindtests) und der subjektiven Welt (Ergebnisse in offenen Tests) vielfach keine Übereinstimmung besteht. Es gibt viele Wirkfaktoren, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung ausüben.