Effektive Besprechungsformate im Krankenhausalltag

Weniger Ego, dafür mehr Eigenverantwortung und beschleunigte Entscheidungen: Besprechungen im Krankenhaus benötigen Struktur, um effektiv zu sein und Veränderungen hervorzubringen. Wie kann dies gelingen?

Besprechungen im Krankenhaus: Wie läuft es im Optimalfall? 

Jetzt stellen Sie sich vor: Sie arbeiten in leitender ärztlicher Funktion in einem Krankenhaus der erweiterten Regelversorgung und nehmen ein andauerndes Problem wahr: Immer wieder gibt es zwischen den Abteilungen Streit um die Nutzung der knappen OP-Kapazitäten. Die personellen Engpässe in dem Bereich nehmen zu, Entscheidungen über Prioritäten sind willkürlich oder aus Ihrer Sicht fachlich unangemessen. Da Ihnen der Zustand im wahrsten Sinne des Wortes Bauchschmerzen bereitet, beschließen Sie, das Thema in der übergreifenden Chefarzt-Runde einzubringen. Dort kommt das Thema auf die Agenda. Als das Thema an der Reihe ist, werden Sie von einem Kollegen, der die Besprechung moderiert, gefragt: "Was brauchen Sie eigentlich bezüglich des Themas in dieser Besprechung?". Zunächst einmal ist es Ihnen ein Bedürfnis, allen mitzuteilen, dass Sie bzgl. des Themas echten Veränderungsbedarf sehen. Bevor hierüber eine größere Diskussion entsteht, fragt der moderierende Kollege nochmals: "Und was brauchen Sie denn in dieser Runde diesbezüglich?" Sie antworten, dass es bei dieser komplexen Problematik einen nächsten Schritt braucht: ein Projekt, in dem klare, gemeinsame Entscheidungskriterien formuliert sowie eine Strategie zur Entschärfung der personellen Engpässe, insbesondere bei den technischen Assistenten und der OP-Fachpflege, entwickelt werden. Sie erklären sich bereit, das Projekt anzustoßen, Vertreter der relevanten Berufsgruppen stimmen zu, mit Ihnen hierzu ein Fokus-Meeting durchzuführen. Ein erster Schritt zur Problemlösung ist gemacht, Sie merken, wie Sie sich entspannen...

Agile Besprechungen: So erleichtern sie den Klinikalltag 

Spannungsbasiertes Arbeiten 

An diesem Beispiel werden mehrere Grundprinzipien agiler Besprechungen deutlich. Das erste Prinzip ist das sogenannte "spannungsbasierte Arbeiten". Spannungsbasiertes Arbeiten beruht auf der Erkenntnis, dass wichtige Anpassungen und Veränderungen in Organisationen effektiv angestoßen werden, wenn es zumindest eine Person gibt, die einen klaren Veränderungsimpuls spürt und dafür die Verantwortung übernimmt. Dieser Veränderungsimpuls wird als "Spannung" zwischen dem, wie es ist, und dem, wie es sein sollte, definiert. Damit ist jeweils auch eine klare "Spannungs- und Themeninhaberschaft" verbunden. 

Für unterschiedliche Themen unterschiedliche Rahmen 

Die agilen Besprechungsformate bieten einen Rahmen, Spannungen einzubringen und schaffen sehr strukturiert einen geeigneten Rahmen zur effektiven Bearbeitung. Angelehnt an Holacracy unterscheidet das agile Arbeiten zwischen 3 Meeting-Formaten, die jeweils mit unterschiedlichen Zielen verbunden sind: 

  1. Das Synchronisations- (Sync-)Meeting: Hier geht es darum, schnell und strukturiert alle Beteiligte auf denselben Wissensstand zu bringen. Laufende Projekte werden angepasst sowie aktuelle Themen und Fragen entschieden, sodass alle wissen, was als nächstes zu tun ist. 
  2. Das Fokus-Meeting: In kleineren Experten-Gruppen werden Themen analysiert, bearbeitet und kreative Gestaltungsräume eröffnet. Die produzierten Lösungen und Ergebnisse werden im Sync-Meeting vorgestellt und abgestimmt. 
  3. Das Steuerungs-Meeting: Auf grundsätzlicher Ebene werden Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt sowie Entscheidungen über Strukturen und Regeln getroffen. 

Die Zauberfrage: "Was brauchst Du?"

Von den Teilnehmenden empfundene Spannungen finden zunächst in einem Sync-Meeting ihren Platz und werden anschließend strukturiert bearbeitet. Die Aufgabe der moderierenden Person ist es, die Teilnehmer bei der Auflösung ihrer Spannung zu unterstützen. Dazu stellt die Moderation die einfache Frage: "Was brauchst Du?" und gibt mehrere Alternativen zur Auswahl: 

So werden ausufernde Monologe oder Diskussionen im Keim erstickt. Stattdessen garantiert das Vorgehen dem Einbringenden einer Spannung (dem Spannungsinhaber), dass jeweils schnell ein angemessener Bearbeitungsrahmen für sein Anliegen gefunden wird. Die ersten drei Alternativen können meist direkt im Sync-Meeting erfüllt werden, Projekte werden in Fokus-Meetings weiterbearbeitet und Steuerungsmeetings sind für Klärungsprozesse geeignet. Das beschriebene Vorgehen begrenzt erfahrungsgemäß das Ego und die Tendenz zur Selbstdarstellung bei den Teilnehmenden. Es führt zu klaren Verantwortlichkeiten und einer deutlichen Beschleunigung von Entscheidungen. 

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Abbildung 1: Agile Meeting-Formate angelehnt an Holacracy; Grafik: Lasse Mevert

Besprechungen im Krankenhaus: auf die Haltung kommt es an

Die oben beschriebene und mittlerweile in mehreren Kliniken erfolgreich implementierte Meetingkultur fördert lösungsorientiertes Handeln, stärkt die Eigenverantwortung aller Beteiligten und ermöglicht eine Abkehr vom eingefahrenen Hierarchie- und Säulendenken.
Wenn wir in der Zusammenarbeit mit vielen Häusern und Einrichtungen eines erfahren haben, dann, dass sich viele Akteure während der Pandemie für neue Verfahren geöffnet haben, weit über sich hinausgewachsen sind und auf sehr unbürokratische und pragmatische Weise miteinander kooperiert haben. Ein Potenzial, das zu wertvoll ist, um es nach der Krise wieder fallen zu lassen. Das kann durch agile Besprechungsformate bewusst kultiviert gefördert werden. 
 


Treatfair – die Experten für Mitarbeiterzufriedenheit im Krankenhaus

Medizinischen Führungskräften, die Interesse an mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung in ihren Teams haben, werden im Treatfair Workshop "Selbstorganisation und agile Arbeitsformen im Klinikalltag" agile Instrumente und Besprechungsformate vermittelt, die bspw. bei Abstimmungen, Aufgabenverteilungen, Urlaubs- und Dienstplanung bis hin zu Prozessoptimierungen und Qualifizierungen ressourcenschonend und gewinnbringend eingesetzt werden können.