Mit einem selbst gebastelten Papiertrichter und einer Handy-App sind Eltern in der Lage mit einiger Sicherheit Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr ihrer Kinder zu entdecken. Was früher nur McGyver geschafft hätte, ermöglicht die moderne Technik heute allen.
Die akute und die seröse Otitis media gehen mit Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr einher. Wird dies nicht oder zu spät entdeckt, drohen Hörschäden sowie Einschränkungen der Kindesentwicklung und Sprachbefähigung.
WissenschaftlerInnen ist es nun gelungen, ein Smartphone-basiertes System zu entwickeln, mit dem Pflegekräfte und Eltern nach einer ärztlichen Erstkonsultation den Verlauf einer Therapie zuhause selbst weiterverfolgen können.
Das System, welches auf allen gängigen Smartphones läuft, erzeugt am Ohr einen kurzen Schallimpuls mit wechselnder Frequenz und bringt so das Trommelfell zum Schwingen. Die Schwingungen werden anschließend als Reflexion des Schalls am Gerätemikrofon aufgezeichnet und über einen intelligenten Algortihmus in der App ausgewertet.
Die App erkennt Schwingungsabweichungen, die auf eine veränderte Bewegung des Trommelfells zurückgehen und informiert aufgrund dessen dann den Nutzer über einen "Verdacht auf Flüssigkeit im Ohr". Ist alles normal und das Trommelfell schwingt unbeeinträchtigt, so erfolgt die Meldung "Kein Verdacht aus Flüssigkeit im Ohr".
Der Algorithmus wurde vorerst an 98 PatientInnen zwischen 18 Monaten und 17 Jahren getestet. Verglichen wurden die Messergebnisse mit parallel dazu eingesetzten Reflektometrie-Geräten. Der Flüssigkeitsstatus im Mittelohr wurde dokumentiert.
Interessant ist, dass das Handy-basierte System, von einem Pädiater angewedet, mit einer Sensitivität von 84,6% und einer Spezifität von 81,9% aufwartete. Im Vergleich dazu erreichten Pädiater mit der klassischen Reflektometrie Sensitivitäten von 76,9% und Spezifitäten um 77,8%. Wandten Eltern den App-basierten Test nach einer kurzen Einweisung selbst an, so zeigte sich in 24 von 25 Fällen eine den Klinikern vergleichbare Genauigkeit der Messungen.
Darüber hinaus ist die App in der Lage, zwischen verschiedenen Flüssigkeitstypen zu unterscheiden. So erkannte sie 6 von 7 serösen Erkrankungen korrekt sowie 10 von 11 schleimigen Erkrankungen und 4 von 4 eitrigen Manifestationen.
Das maschinelle Lernen in Kombination mit Smartphones scheint immer besser geeignet, ÄrztInnen bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Flüssigkeitsansammlungen im Mittelohr bei Kindern zu erkennen, gelang mithilfe der App vergleichbar gut wie mit den teils aufwändigeren klassischen Audiometrie-Techniken.
Quelle: Chan J et al., Sci Transl Med. 2019; doi: 10.1126/scitranslmed.aav1102