Die meisten PatientInnen mit einer Nierenfunktionseinschränkung können hausärztlich optimal versorgt werden. Eine neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM) mit dem Titel "Versorgung von Patienten mit nicht-dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis" gibt erstmals dafür klare Handlungsempfehlungen.
Die Idee und die Umsetzung zur bundesweit geltenden Leitlinie entstand aus einer Kooperation der Allgemeinmedizin mit Professor Dr. Jean-Francois Chenot und Professorin Dr. Friederike Weckmann sowie der Nephrologie mit Professorin Dr. Sylvia Stracke an der Universitätsmedizin Greifswald. Ermöglicht wurde die umfangreiche Leitlinienerstellung durch Förderung der KfH-Stiftung Präventivmedizin und der Damp-Stiftung.
Die Zahl der Menschen mit chronischer Nierenkrankheit wird auf 10% der Bevölkerung geschätzt. Das wären in Deutschland acht Millionen Nierenkranke. In dieser Zahl sind aber auch diejenigen Menschen enthalten, die eine leichtgradige, oft nur altersbedingte Reduktion der Nierenfunktion aufweisen, die in der Regel nicht schnell voranschreitet und daher auch keiner intensiven Therapie und fachärztlichen Versorgung bedarf. "Auf eine Nierenersatztherapie sind letztlich nur gut ein Prozent der Betroffenen angewiesen. Derzeit werden ca. 80.000 Nierenkranke dialysiert, etwa 20.000 befinden sich in der Transplantationsnachsorge. Ziel der Prävention muss also sein, PatientInnen frühzeitig und effektiv zu behandeln, Risiken zu erkennen und die Dialyse zu verhindern oder möglichst lange hinauszuschieben", betonte Professorin Sylvia Stracke, Leiterin der Nephrologie an der Universitätsmedizin Greifswald. "Hierfür ist die Allgemeinmedizin ein wichtigster Weichensteller."
Im Fokus stehen die Blutdruckeinstellung und bei Bedarf eine Blutzuckereinstellung sowie eine Überprüfung und Anpassung der Medikamente und die regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion, insbesondere bei RisikopatientInnen mit Diabetes mellitus oder Bluthochdruck.
"Wichtig ist, dass potenziell nierenschädigende Medikamente in diesen Fällen abgesetzt werden und die PatientInnen auch über nierenschädigende Nebenwirkungen von freiverkäuflichen Medikamenten aufgeklärt werden", erklärte Prof. Jean-François Chenot, Sprecher der Sektion Qualitätsförderung der DEGAM und Leiter der Abteilung Allgemeinmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald. "Schmerzmittel wie NSAR werden im Fernsehen beworben, was sie als ungefährlich erscheinen lässt. Dabei ist kaum jemandem bewusst, dass sie die Nieren schädigen können. Bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung kann eine längerfristige Einnahme dieser Medikamente sogar bis zur Dialysepflichtigkeit führen."
Die neue DEGAM-Leitlinie empfiehlt jedoch die Überweisung in die Nephrologie, wenn Blut im Urin ist, das nicht durch eine urologische Erkrankung erklärbar ist, nennenswerte Mengen Eiweiß im Urin sind, der Blutdruck auch mit drei Medikamenten nicht zu kontrollieren ist sowie wenn die Nierenfunktion rasch abnimmt und ein begründeter Verdacht auf eine spezifische Nierenerkrankung vorliegt.
"Mit der neuen Leitlinie sollen RisikopatientInnen rechtzeitig als solche erkannt und der fachärztlichen Therapie zugeführt werden. Alle anderen erhalten eine optimale Versorgung bei ihrem Hausarzt", so Stracke. "Eine Überweisung zum Nierenspezialisten bei Vorliegen eines dieser Kriterien gerade bei jüngeren Menschen sollte großzügig und schnell erfolgen", hob Chenot hervor.
Besonders wichtig sei den NephrologInnen die Kreatininbestimmung bei RisikopatientInnen gewesen, die die Leitlinie in regelmäßigen Abständen entsprechend individuell vereinbarter Überwachungszeiträume empfiehlt. Kreatinin ist ein wichtiger Parameter für die Nierenfunktion. "Sie machen das Netz engmaschig genug, um zu garantieren, dass niemand unerkannt und unbehandelt ein fortgeschrittenes Stadium der Nierenkrankheit erreicht. Wir sind überzeugt, dass die neue Leitlinie so langfristig dazu beitragen kann, dass weniger Nierenkranke eine Nierenersatztherapie wie eine Dialyse oder Transplantation benötigen", so Stracke und Chenot, die ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit weiter fortsetzen werden.