Zuallererst muss uns Eines bewusst werden: Die Geschlechtsidentität ist unabhängig vom Körper. Die Betonung liegt gezielt auf der Zeitform Futur I des Verbs "sein", denn aktuell sind die Erfahrungen, die den Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise im Gesundheitswesen widerfahren nicht ideal. Verschiedenen wissenschaftlichen Studien zufolge, liegt eine medizinische Unterbehandlung von Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise vor. Es gibt verschiedene Gründe hierfür. Einer davon ist das fehlende Fachwissen über Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise.1-4
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat ihm Jahr 2019 die "S3-Leitline zur Diagnostik, Beratung und Behandlung der Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit" veröffentlicht. Hieraus geht hervor, dass medizinische Fachkräfte zu dem Thema Trans aktuell noch unzureichend informiert sind. Dies kann "zu Irritationen im Kontakt, mitunter auch zu trans-negativen oder trans-feindlichen Erlebnisse" führen.5 Unwissenheit über die körperlichen Besonderheiten von Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise können in Behandlungsfehlern resultieren.
Es gibt unzählige Barrieren für Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise, die sie erst überwinden müssen, um eine qualitativ hochwertige medizinische Behandlung zu erlangen. Die Vorstellung von binären Geschlechtern hat dazu geführt, dass die Lebensweise von trans* oder inter* Personen als medizinische Diagnose stigmatisiert worden ist. Eine Entpathologisierung und Entstigmatisierung ist neben dem notwendigen medizinischen Fachwissen die Grundvoraussetzung für einen empathischen und sachkundigen Umgang mit Personen mit einer trans* oder inter* Lebensweise. Die Einführung der medizinischen Diagnose trans* war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. "Transsexualismus" (F64.0) wird jedoch weiterhin den "Störungen der Geschlechtsidentität" (F64) und dadurch den "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" zugeordnet. Diese ICD-10 ist noch bis zum 1. Januar 2022 gültig und bedurfte dringend einer Überarbeitung. Die Working Group on Sexual Disorders and Sexual Health hatte daher empfohlen die Kategorie "Transsexualismus" in "Geschlechtsinkongruenz" umzubenennen. Auch die Zuordnung zu den "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen" sollte abgeschafft werden. Hierdurch würde der Stigmatisierung der "Geschlechtsinkongruenz" als eine mentale Erkrankung entgegengewirkt werden können. In dem ab dem 1.1.2022 geltenden ICD-11 wird die "Geschlechtsinkongruenz" unter dem Kapitel "Conditions related to sexual health" aufgeführt werden.6
Worte besitzen Macht. Sie können uns unterbewusst eine bestimmte Haltung vermitteln. Wir befinden uns in einer Zeit des Wandels. Die Sprache ist ein flexibles Gebilde, dass sich selbst schon immer im stetigen Wandel befunden hat und weiterhin befinden wird. Die Zukunft liegt in einer geschlechtersensiblen Sprache, von der wir auch als Ärzt*Innen Gebrauch machen sollten. Nur so kann ein sensibler und empathischer Umgang mit Patient*Innen gewährleistet werden.
Referenzen:
1. Bradford J. et al. (2013). Experiences of transgender-related discrimination and implications for health: results from the Virginia Transgender Health Initiative Study. Am J Public Health. 2013;103(10):1820-1829.
2. Roberts K. T. et al. (2014). Barriers to quality health care for the transgender population. Clinical Biochemistry. Volume 47, Issues 10–11, July 2014, Pages 983-987.
3. Vijay A. et al. (2018). Factors Associated with Medical Doctors' Intentions to Discriminate Against Transgender Patients in Kuala Lumpur, Malaysia. LGBT Health. 2018 Jan;5(1):61-68.
4. Safer J. D. et al. (2016). Barriers to healthcare for transgender individuals. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2016;23(2):168-171.
5. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/138-001l_S3_Geschlechtsdysphorie-Diagnostik-Beratung-Behandlung_2019-02.pdf
6. https://www.who.int/news/item/18-06-2018-who-releases-new-international-classification-of-diseases-(icd-11).
7. Hark S. et al. (2020). Geschlechtersensible Sprache - Ein Leitfaden. 2. aktualisierte Auflage. Koordinationsbüro für Frauenförderung und Gleichstellung. Technische Universität Berlin.