Auch nach Hunderten Jahren können Experten herausfinden, an welcher Krankheit ein Mensch gestorben ist. Archäologen hoffen, damit mehr über die Menschen im Mainzer Massengrab zu erfahren. Ein Hamburger Experte soll dabei helfen.
Ein winziger Teil der kürzlich entdeckten Skelette aus einem Massengrab in Mainz soll eine Reise nach Hamburg antreten. Dort wird der Facharzt für Mikrobiologie und Virologie, Dennis Tappe, vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin auf die Lieferung warten. Er soll herausfinden, welcher Krankheit vor rund 200 Jahren die Menschen aus dem Grab zum Opfer fielen. Bauarbeiter waren im Oktober auf das Massengrab mit vermutlich über 1.000 Skeletten gestoßen. Nach erster Einschätzung wurden darin möglicherweise französische und deutsche Soldaten bestattet.
Normalerweise könnten Krankheitserreger in den inneren Organen oder im Blut gefunden werden, sagte Tappe. Wenn nur noch Skelette übrig seien, konzentriere sich die Untersuchung beispielsweise auf die Zähne. "Weil das im Prinzip abgekapselte Strukturen sind, die eine eigene Blutversorgung haben." Wenn jemand einen Krankheitserreger im Blut habe, könne dieser daher im Gebiss landen.
Im Fall der Mainzer Skelette könnten die Zähne aufgebohrt werden, dann könne das Erbgut der Krankheitserreger - ihre DNA - herausgeholt werden, sagte Tappe. Eine knifflige Aufgabe, die nur in speziellen Laboren erledigt werden kann. "Damit man es nicht mit modernem genetischem Material kontaminiert", erklärte der Facharzt, der nicht selbst zum Bohrer greifen wird. "Bei uns geht es nur um die Krankheitserreger."
Kommt deren genetisches Material zur Untersuchung bei Tappe an, kann der Experte theoretisch mit molekularbiologischen Tests schnell klären, woran die Menschen aus dem Massengrab Anfang des 19. Jahrhunderts starben. "Wenn man die DNA hat, sind das Stunden. Wenn man die Tests wiederholen muss - ein Tag."
Die problematische Frage bei solchen Untersuchungen ist Tappe zufolge eine andere: Kann genug brauchbare Erreger-DNA aus den Mainzer Skeletten geholt werden? Es sei damit zu rechnen, dass er mit nur einigen Nanogramm an DNA arbeiten könne. "Viel wird kaputt gegangen sein nach der Zeit."
Das, was von diesem Erbgut übrig geblieben ist, will der Experte auf die Erreger für Typhus und Fleckfieber prüfen. Die Symptome beider Infektionskrankheiten seien sich zwar sehr ähnlich, die Erreger aber unterschiedliche Bakterientypen, erklärte Tappe. Typhus werde durch Salmonellen über Nahrungsmittel übertragen.
Für Fleckfieber, das manchmal auch Flecktyphus genannt werde, seien sogenannte Rickettsien verantwortlich. Diese würden über Kleiderläuse übertragen. Fleckfieber sei eine typische Krankheit bei Feldzügen. "Im Ersten und Zweiten Weltkrieg gab es das oft in den Schützengräben", sagte Tappe.