Zwei Drittel gaben in einer von dimap durchgeführten Umfrage an, sich nicht genügend um die Menschen kümmern zu können, wie das Vorstandsmitglied der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Baden-Württemberg, Matthias Fabian, am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. Demnach meinen zudem 9 von 10 angestellten Ärzten, dass die gesundheitliche Versorgung der Patienten besser wäre, wenn sie mehr Zeit für ihre Patienten hätten. Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hielt dem entgegen, die Situation sei besser als dargestellt - die ärztliche Versorgung sei im Südwesten besser als im Bundesdurchschnitt.
Der Landeschef des Marburger Bundes, Frank Reuther, kritisierte, es stünden oft nicht der Patient, sondern wirtschaftliche Erwägungen im Mittelpunkt. Die Gewerkschaft könne bei ihren Mitgliedern mit Tarifsteigerungen nicht punkten, weil die Bezahlung der Ärzte nicht das Problem sei. "Das Problem ist die Work-Life-Balance, das Gefühl, auszubrennen im Krankenhaus, weil man die Versorgungsleistung am Patienten, die man erbringen will, nicht mehr vollständig schafft." Unter Work-Life-Balance versteht man ein gesundes Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben. «Das haben die Arbeitgeber noch nicht begriffen, dass man letztendlich nur dann gute Medizin machen kann, wenn ausreichend Zeit vorhanden ist», sagte Reuther.
Wie Fabian erklärte, gilt zwar grundsätzlich eine Arbeitszeitgrenze von 48 Stunden in der Woche für angestellte Ärzte. "Aber diese Zahlen werden bei weitem überschritten, und niemand kümmert sich darum." Nach seiner Darstellung wird systematisch gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen. Um die Situation zu verbessern, fordert der Bund unter anderem mehr Studienplätze für angehende Mediziner und systematische Kontrollen der Aufsichtsbehörden, damit Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz erfasst und geahndet werden. Bislang gebe es nur anlassbezogene Überprüfungen nach konkreten Hinweisen, sagte Fabian. Eine steigende Zahl von Behandlungsfehlern wegen Überlastung sieht der Bund aber nicht. Das Problem sei ein anderes. Fabian: "Hier wird eine Art Fließbandmedizin gemacht - nach hohen Standards."
BWKG-Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag hielt dem entgegen, die Zahl der im Krankenhaus beschäftigten Ärzte sei in Baden-Württemberg zwischen 2006 und 2016 um fast 25 Prozent gestiegen - und damit stärker als die Zahl der behandelnden Patienten mit einem Plus von 10 Prozent. "Das bedeutet: Heute muss ein Arzt rechnerisch weniger Patienten versorgen als vor zehn Jahren." Zudem beschäftigten die Krankenhäuser ja gerne noch mehr Ärzte. Sie würden aber durch den Fachkräftemangel ausgebremst. "Derzeit können 400 Arztstellen nicht besetzt werden, weil es keine qualifizierten Bewerber gibt", sagte Einwag. In der BWKG sind 460 Träger mit 204 Krankenhäusern, 129 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und 617 Pflegeeinrichtungen im Südwesten zusammengeschlossen.
Die dimap-Umfrage lief vom 20. August bis zum 17. September. Es beteiligten sich online 3320 Ärzte aus Baden-Württemberg - die Befragung ist nach Darstellung des Marburger Bundes repräsentativ. Im Südwesten gibt es 19.000 bis 20.000 angestellte Ärzte, davon sind etwa die Hälfte Mitglied im Marburger Bund.