In bedrohlichen Situationen reagieren wir instinktiv und ohne lange nachzudenken – quasi automatisch. Welche Rolle dabei die Herzaktivität spielen könnte, haben Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) nun untersucht.
Auf potenzielle Bedrohungen reagiert unser Körper gestresst: Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden in den Blutkreislauf ausgeschüttet, der Blutdruck steigt und unser Herz schlägt schneller. Diese Reaktionen können über verschiedene Mechanismen die Gehirnaktivität und somit unser Erleben und Verhalten beeinflussen. Forschende um Dr. Mauro Larrá vom IfADo haben untersucht, wie sich die unterschiedlichen Phasen der Herzaktivität darauf auswirken, wie wir Informationen verarbeiten.
Insgesamt nahmen 80 Personen an der Studie teil. Den teilnehmenden Personen wurden Schreckreize wie laute Knallgeräusche zufällig wechselnd von links oder rechts präsentiert. Daraufhin sollten sie entweder mit derselben oder der dem Schreckreiz gegenüberliegenden Hand einen Knopf drücken. Die Forschenden haben gleichzeitig den jeweiligen Schreckreflex erfasst. Dazu haben sie gemessen, wie stark eine Person reflexartig blinzeln musste, wenn ein Schreckreiz abgegeben wurde. Mittels Elektrokardiografie wurde während des Versuchs zusätzlich die Herzaktivität gemessen. Dadurch konnten die Schreckreize gezielt mit der Herzaktivität synchronisiert werden: Die Reize wurden entweder präsentiert, während das Herz schlägt und die Signalübertragung zum Hirn maximal ist, oder während das Herz ruht und kaum Signale weitergeleitet werden.
Auf Basis dieses Vorgehens haben die Forschenden in der aktuellen Studie analysiert, inwiefern sich die Herzaktivität auf automatische oder kognitiv kontrollierte Informationsverarbeitung im Gehirn auswirkt. Denn es ist bekannt: Werden Reize aus einer bestimmten Richtung wahrgenommen, gibt es eine automatische Tendenz auch in dieser Richtung zu reagieren. Reaktionen auf derselben Seite des Reizes laufen sozusagen automatisch und somit sehr schnell ab. Soll dem Reiz auf der entgegengesetzten Seite geantwortet werden, gilt es, diese Tendenz zu überwinden. Das erfordert kognitive Kontrolle, strengt uns an und verlangsamt somit die Reaktion.
Die Forschenden konnten nun Folgendes beobachten: Wenn Knallgeräusche abgespielt wurden, während das Herz pumpt, reagierten die Versuchspersonen im Vergleich zur Herzentspannungsphase mit der Hand schneller, auf deren Körperseite auch das Knallgeräusch abgespielt wurde. Wenn die Probanden mit der dem Ton entgegengesetzten Hand reagieren sollten, kehrte sich der Effekt der Herzaktivität um: Reaktionen waren schneller bei Knallgeräuschen, die abgespielt wurden, wenn das Herz entspannte. Das Schreckblinzeln war hingegen reduziert, wenn Reize in Phasen stärkerer Herzaktivität abgegeben wurden, und zwar auf beiden Augen gleich stark.
"Der Schreckreflex wird durch einfache Verschaltungen im Hirnstamm vermittelt. Willentliche Handlungen hingegen, wie das Drücken der Knöpfe in unserem Versuch, benötigen höhere kortikale Hirnareale", erklärte Mauro Larrá: "Dass einfache Reflexe durch die Herzaktivität gehemmt werden, ist bekannt. Hier konnten wir nun jedoch zeigen, dass das Herz auch höhere Informationsverarbeitungsprozesse beeinflussen kann."
Zusammen mit seinem Team möchte der Psychologe diesen Einfluss nun weiter untersuchen. Mittels Elektroenzephalografie soll etwa direkt die Gehirnaktivität gemessen werden. Übergeordnetes Ziel der Forschenden ist es besser zu verstehen, wie Stress sich auf unser Gehirn auswirkt. "In einer Stresssituation wird erwartet, dass automatische, unbedachte Reaktionen verstärkt werden. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht nur Stresshormone, sondern auch erhöhte kardiovaskuläre Erregung unter Stress entscheidend an stressbedingten Prozessen im Gehirn beteiligt sein könnte", so der Psychologe Mauro Larrá abschließend.