Manchmal passieren bei der Embryonalentwicklung Fehler und die Anordnung der Organe gerät dabei durcheinander. Solche Heterotaxie-PatientInnen leiden zudem oft unter schweren Herzfehlern. Nun haben Forschende der Universität Ulm die molekularen Ursachen dieser Herzdefekte untersucht: Offenbar spielen die Mitochondrien dabei eine besondere Rolle.
Im menschlichen Körper haben alle Organe ihren vorbestimmten Platz. Gerät diese Anordnung während der Embryonalentwicklung durcheinander, drohen schwere Fehlbildungen wie z. B. Herzdefekte. Forschende der Universität Ulm haben nun mit internationalen KollegInnen die genetischen und molekularen Ursachen von Herzdefekten bei solchen Heterotaxiepatienten untersucht und dabei insbesondere die Mitochondrien in den Blick genommen.
Dafür, dass das Herz und andere Organe nicht nur sprichwörtlich am rechten Fleck sitzen, sorgen Zilien. Mittlerweile gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass diese antennenartigen Gebilde auf der Oberfläche bestimmter Zellen sehr früh in der Entwicklung die spätere asymmetrische Anordnung der menschlichen Organe regulieren.
Doch bei einem geringen Anteil der Bevölkerung (1:15.000) läuft bei der Embryonalentwicklung etwas schief. Im optimalen Fall sind alle Organe spiegelbildlich verortet, wodurch keine gesundheitlichen Probleme entstehen. Allerdings kann die Anordnung der Organe auch komplett durcheinander geraten und Betroffene entwickeln eine sogenannte Heterotaxie: Solche PatientInnen leiden dann oft an schweren Herzfehlern, die in vielen Fällen unmittelbar nach der Geburt operiert werden müssen. Nun haben ForscherInnen entdeckt, dass die Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf die Bildung dieser Zilien haben. Somit scheinen sie bei der Entstehung heterotaxieassoziierter Herzfehler eine mittelbare Rolle zu spielen.
Konkret konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass Heterotaxie-PatientInnen eine erheblich geringere Anzahl an Mitochondrien in ihren Blutzellen aufweisen. Darüber hinaus haben sie bei den Betroffenen häufiger eine schwere Genmutation nachgewiesen, die zu einer beeinträchtigten Mitochondrienfunktion im Vergleich zu gesunden ProbandInnen führt.
Auch im Zebrafischmodell bestätigte sich der Einfluss der Mitochondrien auf die Entwicklung von Asymmetrie- und Herzdefekten: "Zebrafischembryonen, in denen Mitochondrien gehemmt oder verstärkt aktiv sind, weisen signifikant häufiger Fehlbildungen des Herzens auf als Kontrollgruppen“, erklärte Melanie Philipp, die viele Jahre am Ulmer Institut für Biochemie und molekulare Biologie geforscht hat.
Aber wie wirken Zilien und Mitochondrien bei der Entwicklung von Asymmetriedefekten zusammen? Mittels Elektronenmikroskopie hat die internationale Forschergruppe tatsächlich eine physische Verbindung in Form einer Mikrotubuli-Brücke zwischen den Zellkraftwerken und Zilien nachgewiesen.
Darüber hinaus konnten sie in Fibroblasten der Haut von Heterotaxie-PatientInnen und Zebrafischembryonen zeigen, dass die Zilienlänge invers mit der Mitochondrienfunktion korrelierte: Zellen, die eine geringere Mitochondrienfunktion haben, weisen demnach längere Zilien auf. Ihre Funktionsfähigkeit ist jedoch im Vergleich zu normal langen Zilien deutlich eingeschränkt.
Und auch Zebrafisch-Embryonen, bei denen genetische Veränderungen von Heterotaxie-PatientInnen nachgestellt werden, bilden sowohl Asymmetrie- als auch Ziliendefekte aus. Aus der Summe dieser Ergebnisse ziehen die WissenschaftlerInnen einen klaren Schluss: "Während der Embryonalentwicklung und lange bevor sich ein Herz gebildet hat, haben Mitochondrien einen entscheidenden Einfluss auf Zilien und die spätere Herzentwicklung.“