Eine neue Forschungsgruppe will ein Modell entwickeln, das Durchblutung und Funktion der Leber mit großer räumlicher Auflösung in gesundem und krankem Zustand quantifizieren kann und bei der Planung großer Operationen eingesetzt wird, um die verbleibende Leberfunktion und den Regenerationsverlauf zu prognostizieren. Das interdisziplinäre Team von sechs Forschungsinstitutionen verbindet Chirurgie und Hepatologie, Bildgebung, Bioinformatik und Datenwissenschaften und wird am Universitätsklinikum Jena koordiniert.
Der Tumor soll mit ausreichendem Sicherheitsabstand entfernt werden und das verbleibende Organ seine lebenswichtige Funktion behalten - weil die Leber eine große Regenerationsfähigkeit hat, sind die Chancen dafür besser als bei vielen anderen Organen. Doch die Entfernung großer Organbereiche, vor allem bei bestehenden Lebererkrankungen, birgt ein hohes Risiko für das Versagen des Organs nach dem Eingriff. Bei der Abschätzung dieses Risikos wird die Leber als homogenes Gebilde angenommen. "Das ist sie natürlich nicht. Für eine individuelle OP-Planung und Funktionsprognose müssen wir mehr wissen über das Zusammenspiel von Durchblutung und Funktion der Leber und über die räumliche Verteilung der verschiedenen Stoffwechselfunktionen des Organs", erklärt Prof. Dr. Uta Dahmen, Leiterin der Arbeitsgruppe Experimentelle Chirurgie am Universitätsklinikum Jena. Die Chirurgin koordiniert eine neue, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsgruppe, die sich genau dieses Problems annehmen wird.
In einem aufeinander aufbauenden Arbeitsprogramm will die Gruppe ein Modell entwickeln, das die Durchblutung und die Funktion der Leber mit großer räumlicher Auflösung in gesundem und krankem Zustand quantifizieren kann. Dazu verbindet sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Expertise in Chirurgie und Hepatologie, Bildgebung, Bioinformatik und Datenwissenschaften von sechs Forschungsinstitutionen in Deutschland. Gleich drei der insgesamt acht Teilprojekte werden am Universitätsklinikum und der Friedrich-Schiller-Universität Jena bearbeitet.
Im Tiermodell wird untersucht wie die Gewebedurchblutung und die Abbaufunktion von Arzneimitteln auf der Ebene der Leberlappen voneinander abhängig und verteilt sind. Dazu nutzen sie lebergesunde Ratten und Tiere mit einer Fettlebererkrankung. Die Bildgebungsspezialisten von der Arbeitsgruppe Medizinphysik werden räumlich und zeitlich hochaufgelöste MRT-Bilddaten von der Funktion, der Durchblutung und der Fettverteilung in den Tierlebern beisteuern. Mit den Mitteln der Bioinformatik werden alle in der Leber produzierten Proteine nach der Operation und in der Regenerationsphase erfasst, um so Aussagen zur Leberfunktion zu gewinnen.
Die experimentellen Arbeiten in Jena werden von den Partnern in Leipzig ergänzt, so dass die Forschungsgruppe Daten auf der Ebene der einzelnen Leberzelle bis hin zum gesamten Organ und Organismus erfasst. Zusammen mit den Ergebnissen aus vorangegangenen Kooperationen der Partner fließen diese in die mehrstufigen Auswertungs- und Simulationsprozesse ein, die Modellierungsgruppen in Berlin, Stuttgart und Bremen bearbeiten. An deren Ende soll ein robustes digitales Modell der Flüsse und Funktionen in der Leber stehen.
Perspektivisch wollen die Forschenden ihr Modell noch um weitere patientenspezifische Informationen zu Begleiterkrankungen erweitern, so dass es eine individualisierte OP-Planung und Prognose für den Heilungsverlauf ermöglicht. "Langfristig möchten wir mit diesem systemmedizinischen Ansatz für die Leberchirurgie dem behandelnden Arzt und dem Patienten umfassende Informationen für eine fundierte gemeinsame Therapieentscheidung zur Verfügung stellen", beschreibt Dahmen.