Ein Verbund von Firmen und Forschern entwickelt in Sachsen hochwertige Medizintechnik aus Textilien. Künftig soll das Projekt vom Bund gefördert werden - und dann auch über die Landesgrenzen hinaus ausgeweitet werden.
Sachsens Wirtschaftsminister setzt sich auf ein Bett und auf dem Bildschirm am Kopfende schaltet ein zuvor rotes Viereck auf grün: Eine intelligente Matratzenauflage hat die Bewegung von Martin Dulig erkannt und registriert. Das sensorische System für die Pflege in Heimen, Kliniken oder auch zu Hause wurde vom Sächsischen Textilforschungsinstitut (SFTI) in Chemnitz entwickelt. Das SFTI ist die vierte Station, die Dulig am Montag bei Entwicklern von Spezialtextilien für den Medizinbereich besucht. "Was wir gesehen haben, ist Innovation", bilanziert der SPD-Politiker.
Das SFTI gehört ebenso wie Biehler Sportswear, die Spengler & Fürst GmbH & Co. KG oder das Strumpfwerk Lindner GmbH zu den rund 20 Firmen und Partnern im Verbundprojekt health.textil 4.0. Es wurde 2017 vom Verband der Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti) initiiert und seither vom sächsischen Wirtschaftsministerium mit insgesamt 200.000 Euro gefördert.
Textilien mit Gesundheitsforschung könnten vor allem deshalb einen entscheidenden Schritt im Bereich der digitalen Ausstattung darstellen, weil mit ihnen der Sprung von externen Gesundheitsmessgeräten, wie Smartwatches oder Smartphones, zu einer Technik erfolgt, die Daten genauer und direkt am Körper misst.
Diese Förderung läuft im kommenden Monat aus. Als Nachfolger soll das Bundeswirtschaftsministerium über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) die Förderung in gleicher Höhe vom 1. Juli an übernehmen. "Das ist sportlich, aber notwendig. Es sind viele Vorarbeiten geleistet worden", sagte vti-Geschäftsführer Jenz Otto. Den Kontakt habe das Wirtschaftsministerium des Freistaates hergestellt. Man habe das Innovationspotenzial gesehen und deswegen eine Anschlussfinanzierung unterstützt, betonte Dulig.
Mit den neuen Geldern soll das Projekt nun auf andere Bundesländer und Tschechien ausgeweitet werden. "Wir können nun auch neue Partner zum Beispiel aus Thüringen und Tschechien einbeziehen", sagte Projektmanager Johann Varga. Man habe jetzt drei Aufgaben: Das Projekt bekanntmachen, mit der Gesundheitswirtschaft ins Gespräch kommen und Akquise-Finanzierung für die Firmen, zählte Varga auf.
Im hinteren Bereich eines Gewerbegebietes an der Autobahn A4 hat der Radsport-Ausrüster Biehler Sportswear sein Domizil. Mit dem Know-How aus dem Einsatz hochwertiger Stoffe hat die Firma in Limbach-Oberfrohna (Landkreis Zwickau) ein Shirt entwickelt, das über sechs Sensoren Vitalfunktionen wie Puls, Hautfeuchtigkeit oder Temperatur erfasst. Die Daten werden auf eine App im Smartphone übertragen. Eine ähnliche Technologie nutzte auch bereits die kanadische Firma OMSignal für die Entwicklung von Sportbekleidung, die Vitalwerte während des Trainings aufzeichnet.
Ebenso wie von der intelligenten Matratzenauflage gibt es davon bisher nur Prototypen. Beide Erfindungen werden an der Berliner Charité einem Langzeittest unterzogen. "Wir sind guter Dinge, dass wir nächstes Jahr mit der Produktion in Serie gehen können", sagt Biehler-Geschäftsführer Sascha Winkler. Etwas länger wird es dauern, bis die Matratzenauflage auf den Markt kommt. Sie rechne noch mit etwa 24 Monaten, prognostiziert Entwicklerin Elke Thiele. Seit Jahren besteht international ein großes Interesse an Smartwear. So war tragbare Technologie beispielsweise auf Asiens größter Technologiemesse Computex im Jahr 2014 bereits das am schnellsten wachsende Themenfeld.
Ein wichtiger Rohstoff für einen Großteil der Gesundheitstextilien ist Silber - auch bei einem Anti-Keim-Stoff, den die Firma Spengler & Fürst in Crimmitschau entwickelt hat. Nach Unternehmensangaben wurde im Labor nachgewiesen, dass multiresistente Keime auf dem Gewebe innerhalb einer Stunde vernichtet werden.
Noch bis Ende Juli läuft der Test an der Uniklinik Dresden. Geschäftsführer Eckhard Bräuninger hofft, Ende des Jahres das Produkt auf den Markt bringen zu können. Allerdings ist der mit Silberfäden durchwirkte Stoff nicht billig. Laut Bräuninger würde ein T-Shirt daraus 80 Euro kosten statt 20 Euro.
Medizintechnik aus Textilien könnte sich besonders bei älteren oder kranken Menschen lebensrettend auswirken. Auch Wissenschaftler in New York forschten bereits an Kleidung mit eingenähten Sensoren. So könnte ein Shirt, das die Vitalfunktionen misst, beispielsweise erkennen, ob es Probleme mit dem Herzen oder der Lunge gibt. Smarte Textilien könnten somit eine entscheidende Rolle in der zukünftigen Gesundheitsvorsorge spielen.