Zu den Preisträgern in der Kategorie “Digitalisierung“ zählt die KV Niedersachsen mit ihrer im August 2020 eingeführten Videosprechstunde für den ärztlichen Bereitschaftsdienst an Wochenenden und Feiertagen. Das Ziel, so Dr. Thorsten Kleinschmidt von der KV: den Patienten die langen Anfahrtswege zur Bereitschaftspraxis zu ersparen und die Zahl der Fahrten für Hausbesuche zu reduzieren. Wählt der Patient am Wochenende die 116 117, dann wird ihm zwischen 9 und 16 Uhr eine Videosprechstunde angeboten – unter der Voraussetzung, dass der Disponent am Telefon auf der Basis des strukturierten medizinischen Ersteinschätzungsverfahrens dies für möglich hält. Der Patient erhält sodann die Zugangsdaten zum Videogespräch, wo er von einem Arzt abgeholt und beraten wird. Auf diese Weise gelang es, 16 Prozent der physischen Arzt-Patienten-Konsultationen in Digitalkontakte umzuschichten.
Ein ähnliches Modell hat die KV Sachsen entwickelt, es fokussiert allerdings nicht ausschließlich auf die Bereitschaftsdienstzeiten am Wochenende und an Feiertagen. Es ist gedacht für Patienten, die keinen Hausarzt haben oder ihn nicht erreichen können und dann die 116 117 wählen. Dort werden Beschwerden und Gesundheitsdaten elektronisch erfasst und nach SmED darauf geprüft, ob eine Fernbehandlung per Video möglich ist. Stimmt der Patient zu, werden einem verfügbaren Fernbehandlungsarzt die Kontaktdaten übermittelt, so dass die Video-Konsultation realisiert werden kann.
Ein anderes Projekt ist die Digitalisierung der Notfallkette in Thüringen. Dazu hat die KV in diesem Jahr ein flächendeckendes System zur mobilelektronischen Einsatzdokumentation im Rettungsdienst (MEDiRett) eingeführt, berichtet Dr. Gunnar Dittrich. Noch während des laufenden Rettungseinsatzes erhalten Kliniken alle notwendigen medizinischen Informationen über Art und Schwere des Notfalls und können dementsprechend proaktiv ihre Ressourcen bereitstellen. Und es wird sichergestellt, dass der Patient direkt in dasjenige Krankenhaus eingeliefert wird, das notwendige Kapazitäten freihat.
Die "Asynchrone telemedizinische Versorgung im ländlichen Raum" (ASTRaL) zielt darauf ab, die unterschiedlichen Kompetenzen von Haus- und Fachärzten in Schleswig-Holstein durch Videokonsile besser zusammenzubinden. Einbezogen sind im Rahmen eines vom Land geförderten, über drei Jahre laufenden Projekts 20 Hausarztpraxen sowie Dermatologen und Rheumatologen. Einbezogen ist auch Helgoland für die augenärztliche Versorgung. Die Hausarztpraxen werden dazu mit diagnostischer Technik zusätzlich ausgerüstet, die so gewonnen Daten werden an teilnehmende Fachärzte zur Interpretation und Therapievorbereitung gesendet und dann im Telekonsil, also zeitversetzt und daher asynchron, zwischen Haus- und Fachärzten besprochen.
Preisträger in der Kategorie Pandemieversorgung wurde die Covid-Schwerpunktpraxis des Hausarzt-MVZ am Kurt-Schumacher-Platz in Berlin. Das MVZ stellte frühzeitig schon während der ersten Welle – als vor allem Schutzausrüstungen wie Masken in ganz Deutschland knapp waren – auf die Versorgung von Covid-Verdachtsfällen um und passte seine Betriebsabläufe an die Bedingungen der Pandemie an: räumliche und zeitliche Trennung von Verdachtsfällen, infizierten und anderen Patienten, Anpassung des Leistungsspektrums mit intensivierter Beratung zum Zweck einer strikten Indikationsstellung für direkte Kontakte mit Patienten, Entlastung von Kliniken durch Wahrnehmung der Filterfunktion. Die Schwerpunktpraxis wirkt inzwischen am IGES-Projekt "Longcovid" mit, wie Dr. Marc Kurepkat berichtet.
Die KV Nordrhein, die mit dem Pandemieausbruch im Landkreis Heinsberg bei Aachen als erste von einem Hotspot betroffen war, hat mit ihren Ärzten basierend auf den Erfahrungen mit der Pandemie ein Handbuch entwickelt, das für alle an der Versorgung auch in ähnlichen Situationen konkrete Handlungsanweisungen vermittelt, wie Dr. Johannes Martin erläutert.
Mit einem noch weitgehend ungelösten Problem, Long-Covid, beschäftigt sich das Long-Covid-Netzwerk der KV Bayerns, so deren Vorsitzender Dr. Wolfgang Krombholz. Allein in Bayern wird mit mehr als 100.000 Patienten gerechnet, die unter einem verzögerten Heilungsverlauf leiden. Dazu sollen nun koordinierte Therapien und neu gewonnene medizinische Evidenz durch systematische und digitale Fortbildungspakete in die Versorgung implementiert werden.
Auf die Behebung des wachsenden Fachkräftemangels zielt die Kategorie "Versorgung kreativ" ab, bei der das Modell der "Hausärzte am Spritzenhaus" in Baiersbronn in Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. Vor gut zehn Jahren stand der Schwarzwald-Ort vor massivem Hausarztmangel, die KV startete 2012 dort eine regioPraxis mit drei Hausärzten. Inzwischen wurde das ehemalige Spritzenhaus der Feuerwehr zu einem leistungsfähigen Gesundheitszentrum ausgebaut, in dem inzwischen elf Ärztinnen und Ärzte mit 20 MFA, davon sieben VERAH, arbeiten. Zum Zentrum gehören eine Apotheke, ein Orthopäde, Physiotherapie und Sanitätshaus. Die Integration von Medizinstudenten und Weiterbildung gehört zum Merkmal dieser Praxis, so Dr. Wolfgang von Meißner.
Wie Ärzte und ein Unternehmer medizinische und ökonomische Kompetenz zusammenbringen können, zeigt das Hausarzt-Zentrum Plettenberg im Sauerland. Der Hintergrund: Als Folge von Überalterung drohte der Kleinstadt Unterversorgung mit Hausärzten, die vorhandenen und veralteten Praxisstrukturen waren unattraktiv für den Nachwuchs. Eine Unternehmensgruppe vor Ort engagierte sich mit betriebswirtschaftlichem und juristischem Knowhow am Aufbau eines modernen Ärztezentrums, in das nun auch Weiterbildungsassistenten integriert sind. Das Modell könnte Vorbild für weitere Standorte sein, so Ansgar von der Osten von der KV Westfalen-Lippe.
Ähnliche Ziele verfolgt das Modell "Teampraxen – lokale Gesundheitszentren in der Hand von Ärzten" in Schleswig-Holstein. Aus dem Fördertopf der KV werden moderne Landarztpraxen an zentralen Orten aufgebaut, schwerpunktmäßig dort, wo absehbar Ärztemangel droht. Arbeit im Team und Telemedizin sind obligatorisch, so Silke Utz von der KVSH.