Mit dem neuen Präparat Kaftrio wird in Kürze auch in Europa erstmals ein gut wirksames Medikament für eine größere Gruppe von Mukoviszidose-Erkrankte ab zwölf Jahren zur Verfügung stehen. Die ersten Studien- und Erfahrungsberichte sind sehr positiv – wie sich Langzeitwirksamkeit und Nebenwirkungen entwickeln, bleibt abzuwarten. Der Mukoviszidose e.V. stellt mit dem Deutschen Mukoviszidose-Register ein wichtiges Instrument für weitere Studien zum Medikament zur Verfügung.
Mit großen Erwartungen ist sie verknüpft, die Europa-Zulassung der neuen Dreifachkombination Kaftrio des Arzneimittelherstellers Vertex Pharmaceuticals. Erste positive Erfahrungsberichte aus den USA (wo das Medikament seit Oktober 2019 unter dem Handelsnamen Trikafta auf dem Markt ist) und von Studienteilnehmenden zeigen bei vielen Erkrankten eine deutliche Verringerung der Mukoviszidose-typischen Symptome bereits nach kurzer Einnahmedauer. So beschreiben die Betroffenen einen deutlichen Rückgang von Schleimbildung in der Lunge und Husten, verbunden mit einem besseren Allgemeinbefinden und einer Steigerung des Appetits. Auch die Lungenfunktionswerte verbessern sich bei vielen signifikant, in den Studien im Mittel um 14 Prozent. Zurückzuführen ist dies auf die kausale Wirkweise von Kaftrio als sog. CFTR-Modulator. Die drei Wirkstoffe Tezacaftor, Elexacaftor und Ivacaftor wirken am CFTR-Kanal, dem Kanal in der Zellwand, der bei Mukoviszidose-Betroffenen genetisch bedingt nicht richtig funktioniert, was zu massiven Störungen im Wasser-Salz-Haushalt führt. Durch die Verbesserung der CFTR-Kanalfunktion wird der Mukoviszidose-typische zähe Schleim, der die Lunge und andere Organe verklebt und schädigt, wieder flüssiger.
Die "positive opinion", die die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am 26. Juni für Kaftrio veröffentlicht hat, bezieht sich auf CF-Erkrankte ab zwölf Jahren mit zwei F508del-Mutationen oder mit einer F508del-Mutation und einer Minimalfunktionsmutation. Für diese Patientengruppe ist in spätestens 67 Tagen eine Zulassung des Präparats zu erwarten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind noch keine näheren Informationen über die Minimalfunktionsmutationen, für die die Zulassung erfolgen wird, bekannt, es lässt sich aber bereits sagen, dass gemäß den aktuellen Zulassungsbestimmungen etwa 60 Prozent der Mukoviszidose-Betroffenen von Kaftrio profitieren werden. Diese Zahl wird in den nächsten Jahren weiter steigen (auf voraussichtlich rund 80 Prozent), wenn die Kaftrio-Zulassung auf weitere Altersklassen und breitere Indikationen ausgeweitet wird. "Wir freuen uns sehr über diesen Meilenstein in der Mukoviszidose-Forschung, der für eine so große Gruppe der Betroffenen Verbesserungen bringen wird! Die Zulassung von Kaftrio wird sich sowohl auf die Lebensqualität als auch auf die Lebenserwartung von Menschen mit CF positiv auswirken", so Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Mukoviszidose e.V. und selbst von der Stoffwechselerkrankung betroffen. Dennoch wird es auch eine Gruppe von Betroffenen geben, für die Kaftrio von vornherein nicht in Frage kommt – aufgrund ihrer Mutationen, einer Transplantation oder anderer schwerer Erkrankungen wie z.B. Leber- oder Nierenerkrankungen. Für diese Patientengruppe wird künftig weitere innovative Forschungsarbeit nötig sein.
Die medikamentöse Korrektur des defekten CFTR-Kanals durch Kaftrio bedeutet für viele Betroffene eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität, doch: "Es ist wichtig, dass den Betroffenen bewusst ist, dass die Einnahme von Kaftrio eine Zusatztherapie darstellt. Die Patienten müssen also die Basistherapie erst einmal fortführen. Eine Heilung der Mukoviszidose könnte nur durch eine Gentherapie erreicht werden. Seit der Entdeckung des Gendefekts vor 30 Jahren arbeiten Forscher an verschiedenen Ansätzen hierzu, doch da es so viele verschiedene Mutationen auf dem CFTR-Gen gibt und Mukoviszidose eine Multiorganerkrankung ist, ist es noch nicht gelungen, diese große Aufgabe zu lösen.", erläutert Dr. Carsten Schwarz, Leiter der Sektion Cystische Fibrose an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Mukoviszidose bleibt aktuell eine unheilbare Erkrankung, die durch eine lebenslange Einnahme von Kaftrio besser behandelbar wird.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA fordert nach der Zulassung neuer Medikamente die Nachbeobachtung in einer repräsentativen Patientenpopulation, um das Auftreten von Nebenwirkungen über einen längeren Zeitraum (in der Regel fünf Jahre) systematisch zu erfassen und auszuwerten. Denn gerade eine lebenslange Medikamenteneinnahme ist mit vielen Unbekannten verknüpft. "Noch wissen wir nicht, wie gut das Medikament auf lange Zeit wirkt und ob sich irgendwann kritische Nebenwirkungen zeigen", so PD Dr. Lutz Nährlich, Leiter der Mukoviszidose-Ambulanz der Universitätsklinik Gießen. "Hier setzen wir auf weitere Studien, um das zu beobachten. Basis für künftige Studien zur Medikamentensicherheit ist das unabhängige Deutsche Mukoviszidose-Register, das vom Mukoviszidose e.V. betrieben wird."