Manche Menschen haben so viel Angst vor dem Zahnarzt, dass sie Behandlungen aufschieben und ihr Problem noch größer wird. Das soll sich ändern - und zwar dank «Angst-Management» in der Ausbildung der Mediziner.
Bohren, Zähne ziehen oder Wurzelbehandlung: Viele Menschen haben vor den teils schmerzhaften Behandlungen beim Zahnarzt Angst. Ärztinnen und Ärzte könnten ihnen die Panik nehmen, meinen Fachkräfte von der Universität Leipzig. Die Hochschule will das "Angst-Management" in den kommenden Jahren zu einem festen Bestandteil der Ausbildung der angehenden Zahnärztinnen und -ärzte machen, wie Christian Hirsch, Professor für Kinderzahnheilkunde an der Uni Leipzig, sagt.
Etwa zwölf Prozent der Menschen haben nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung große Angst vor dem Besuch beim Zahnarzt. Bei einigen sei die Furcht so ausgeprägt, dass sie die Behandlung konsequent vermieden - und ihre Erkrankung immer schlimmer werde, sagt Hirsch. Dementsprechend sei das Thema Angst für Zahnmediziner:innen ohnehin nicht unbekannt und werde auch in den Vorlesungen bereits erwähnt. "Das zu systematisieren und möglichst früh im Studium zu behandeln, scheint uns eine wichtige Schwerpunktsetzung."
In den kommenden Jahren will die Universität die zahnmedizinische Ausbildung entsprechend einer neuen Approbationsordnung ändern. Die Umstellung ist laut Hirsch allerdings kompliziert. Ursprünglich war die Anpassung schon für dieses Jahr geplant. Nach aktuellen Plänen, die laut Hirsch im Bundesrat zur Abstimmung liegen, gibt es eine Übergangsfrist. Student:innen, die bis Anfang 2025 ihr Physikum abgeschlossen haben, sollen nach der alten Approbationsordnung zu Ende studieren dürfen.
Trotz der Verzögerung ist die Fakultät entschlossen, die Kommunikation mit Patient:innen inklusive des "Angst-Managements" zu einem eigenen Schwerpunkt im Studium auszubauen. Um Menschen zu beruhigen, gebe es mehr Mittel als Betäubungen und entspannende Medikamente, sagt Hirsch. Auch die Suggestion, das Begleiten der Patient:innen durch die Behandlung, sei wichtig. "Man gibt ihm dabei das Gefühl, dass man ihn und seine Ängste ernst nimmt", sagte Hirsch. Außerdem sollten sich die Studierenden mit der Frage auseinandersetzen, warum Patient:innen teilweise so stark ausgeprägte Angst hätten. Gründe dafür seien oft traumatische Zahnarztbesuche in der Kindheit.
Wie viele Universitäten das Thema Angst bereits in den zahnmedizinischen Vorlesungen ansprechen, kann die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung nicht beantworten. Sachsens zweite Ausbildungsstätte für Zahnärztinnen und -ärzte, die TU Dresden, behandelt das Thema nach eigenen Angaben seit 2015 über den gesamten klinischen Abschnitt des Studiums. Der Fokus liege etwa auf Gesprächsführungstechniken, der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team sowie dem Umgang mit Patient:innen, heißt es von der Hochschule. Auch praktische Fähigkeiten würden geschult - etwa indem Gespräche mit Patient:innen simuliert und ausgewertet würden.
Für Torsten Glas, der selbst praktiziert und in Zusammenarbeit mit der Landeszahnärztekammer Sachsen Vorträge über Angst hält, ist ein solcher Fokus auf das Thema Angst lange überfällig. "Aus meiner Sicht wird das Thema "krankhafte Zahnbehandlungsangst" zurzeit in der universitären Ausbildung häufig ungenügend abgebildet", sagte er. Die Studierenden setzten sich mit der fachlichen Zahnheilkunde auseinander, das Thema Phobien werde aber nicht strukturiert vermittelt. Er wünsche sich, dass die Universitäten in Zusammenarbeit mit den psychologischen Fakultäten mindestens eine Semesterreihe zu dem Thema entwickelten, "in der die Studierenden gezielt Methoden zur Prävention und Therapie von Zahnbehandlungsphobien erlernen".