Die Verwendung mRNA-basierter Impfstoffe kommt im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie einem echtem Gamechanger gleich – die Lagerungsbedingungen bei Temperaturen von -70 Grad stellen Impfzentren aber auch vor große logistische Herausforderungen. Stefan Stein, der mit seiner Firma S.O.S Rentals GmbH Tiefkühlcontainer (unter anderem) zur Impfstofflagerung bereitstellt, erklärt, warum Kühl-Vorräume unbedingt empfehlenswert sind und weshalb Tiefkühllagerungen auch in der Zukunft der Medizin noch wichtige Rollen spielen werden.
esanum: Herr Stein, gerade im Hinblick auf einen Impfstoff, der bei -70 Grad gelagert werden muss, sind entsprechende Lagerungsmöglichkeiten zur Kühlung dringend erforderlich. Nach welchem Ablauf können Impfzentren auf ihre Firma zukommen, um Kühlcontainer zu mieten?
Stein: Genau so, wie wir beide das jetzt machen: Die Impfzentren melden sich und fragen telefonisch oder schriftlich an und es werden die gegenseitigen Anforderungen abgestimmt. Das Impfzentrum hat Anforderungen an die Lagerung, wie z.B. Lagerkapazität und das Handling der Ein- und Auslagerung und wir haben Anforderungen, die erfüllt sein müssen, dass der Kühlcontainer vor Ort beim Impfzentrum betrieben werden kann. Unser Kühlcontainer wird z. B. mit einem Kran angeliefert. Hierfür wird genügend Aufstellfläche für Kran und Kühlcontainer benötigt. Weiterhin sind eine ebenerdige Stellfläche und eine ausreichende Stromversorgung notwendig. Sind diese technischen Details geklärt und die Verfügbarkeit des Kühlcontainers zum Wunschdatum gegeben, wird ein Mietvertrag abgeschlossenen und es kann losgehen. Ähnlich wie beim Autovermieter. Hier wird die Anforderung, also z.B. das Wunschauto vom Kunden mit den Anforderungen des Vermieters (notwendigen Unterlagen) abgestimmt und bei Verfügbarkeit der Mietvertrag unterzeichnet.
Die Verfügbarkeit ist zurzeit allerdings sehr knapp. Wer jetzt einen -70°C Kühlcontainer benötigt, sollte sich rechtzeitig melden. Die aktuelle Vorlaufzeit für die Lieferung beträgt derzeit ca. 4- 6 Wochen. Steht der Kühlcontainer dann vor Ort muss er in Betrieb genommen und auf die Wunschtemperatur von -70°C gekühlt werden, ehe der Impfstoff eingelagert werden kann. Auch hier sind 2- 3 Tage einzuplanen.
esanum: Empfehlen Sie für die Impfstofflagerung einen bestimmten Kühlcontainer-Typ?
Stein: Jetzt wird’s interessant: -70°C sind -70°C, oder? Aber der Unterschied liegt im Detail.
Folgendes muss man wissen: -70°C ist eine außergewöhnliche tiefe Temperatur. Die Temperaturdifferenz zur Umwelt beträgt bei einer Außentemperatur von z.B. 10°C dann schon 80 °C Differenz. Die Außenluft mit 10°C kann eine viel höhere Feuchtigkeit in der Luft aufnehmen und speichern, als eine Luft mit -70°C die viel trockener ist.
Jetzt zum Container: Wird die Außentür vom Container geöffnet, strömt die warme Außenluft direkt in den -70°C Bereich hinein. Mit der warmen Außenluft gelangt somit viel Feuchtigkeit in den Container. Wird diese warme Luft dann im Container abgekühlt kann die kalt werdende Luft die Feuchtigkeit nicht mehr halten und es entsteht Schnee und Eisbildung im Container. Beides ist für die Arbeit störend und behindert.
Diese feuchte Luft und das entstehende Eis setzt sich auch auf den technischen Komponenten, die die kalte Luft erzeugen, den Verdampfer, des Kühlcontainers ab. Vereiste Verdampfer können aber nicht mehr kühlen und müssen entsprechend abgetaut werden. Je häufiger diese Verdampfer vereisen, desto häufiger müssen sie abgetaut werden. Daher empfehlen wir immer einen Kühlcontainer mit einem Vorraum zu verwenden. Dieser Vorraum wird auf -20°C vorgekühlt und sorgt dafür, dass der eigentliche -70°C Kühlraum vor dieser unerwünschten Luftfeuchtigkeit geschützt ist.
Neben dem Kühlraumkonzept mit dem -20°C Vorraum empfehlen wir bei der Auswahl des Kühlcontainers immer darauf zu achten, dass die Technik redundant ausgelegt ist. Redundant heißt vom Prinzip: Es ist alles doppelt vorhanden. Auch wenn die Kältemaschine und die Elektrotechnik hoch zuverlässig aufgebaut und verarbeitet sind, kann doch immer mal ein Ausfall auftreten. Bis zur Behebung des Ausfalls dauert es eine gewisse Zeit. Für die Überbrückung dieses Zeitfensters springt z.B. in unserem Kühlcontainern die zweite Kältemaschine automatisch an. Das ist sehr wichtig, denn anders als bei der Autovermietung ist ein Tiefkühlcontainer nicht mal eben schnell getauscht. Abgeglichen mit den Werten, die in den -70°C Containern lagern, ist ein höherpreisiger redundant ausgelegter Kühlcontainer eine preislich untergeordnete Komponente. Ganz zu schweigen von den nicht durchführbaren Impfungen, wenn der Impfstoff nicht mehr brauchbar wäre.
Als dritten Punkt bei der Auswahl eines -70°C Kühlcontainers sei die Leistung der Kältemaschine zu beachten. Ein Container dieser Größe steht meist im Freien. In den letzten Jahren haben wir im Sommer immer höhere Temperaturen. Wenn wir 40°C Außentemperatur haben, bedeutet dies eine Temperaturdifferenz von 110 °C zum Innenraum des Containers. Jetzt müssen Isolierung und Kältemaschine ganze Arbeit leisten. Insbesondere die Kältemaschine muss nun über genügend Leistungsreserven verfügen, da bei der täglichen Arbeit die Türen auf und zugemacht werden und warme Luft ins System gelangt.
Zusammengefasst empfehlen wir -70°C Kühlcontainer einzusetzen, die mit einem -20°C Vorraum, redundanter Technik sowie genug Leistungsreserve ausgestattet sind.
esanum: Klingt so, als könnte bei der Handhabung auch einiges schieflaufen. Ist für die korrekte Lagerung der Impfstoffe in den Kühlcontainern eine ausführliche Schulung erforderlich?
Stein: Für einen -70 °C Kühlcontainer sind bei der Handhabung und dem Betrieb die zwei Themen Technik und Nutzung des Containers zu beachten.
Vor Ort ist eine technische Person als Verantwortlicher zu benennen. Diese Person betreut die Technik des Containers und dient uns als Ansprechpartner für Rückfragen. In der Regel arbeitet die Kältemaschine vollkommen autark und funktioniert vollautomatisch und eigenständig. Sollte mal etwas sein, haben wir über einen Fernzugriff Zugang zur Maschine und zum Kühlcontainer und können so 90% aller Meldungen bearbeiten und uns mit der technischen Person vor Ort abstimmen. Alarmmeldungen werden online oder per SMS versandt und eine Reaktion kann direkt erfolgen, lange bevor dies Einfluss auf die Temperatur des Containers nimmt. Ist zum Beispiel eine Tür nicht korrekt verschlossen, weil etwas sich in den Türspalt geklemmt hat, kann die Person vor Ort direkt handeln.
Das Personal, welches den Container nutzt, muss auf jeden Fall eine Einweisung bekommen. Die Ein- und Auslagerung des Materials muss geübt werden, um den Wärme- und Feuchtigkeitseintrag zu minimieren sowie die Reihenfolge des Öffnens und Schließens der Türen müssen beachtet werden. Zudem ist für eine persönliche Schutzausrüstung des Personals zu sorgen. So sind passende Handschuhe sehr wichtig, um Kälteverbrennungen durch unachtsames Verhalten zu vermeiden.
esanum: Dementsprechend sind die Kühlcontainer von S.O.S Rentals dann wohl nicht für den mobilen Transport - beispielsweise um in Pflegeheimen oder bei vulnerablen Patientinnen und Patienten zuhause zu impfen - geeignet?
Stein: Unsere Mietangebote richten sich an die stationäre Lagerung. Der Transport der Impfdosen ist ein separates Gebiet. Ein wichtiger Aspekt ist noch die Kapazität unserer Kühlcontainer. Es sei erwähnt, dass unsere Tiefkühlcontainer ausreichend Platz für 18 Europaletten haben oder - anders ausgedrückt - für Millionen Impfdosen. Diese Kühlcontainer werden nur an den großen Verteilerstationen im Land benötigt. Für die Versorgung in der Fläche reichen unsere Tiefkühlschränke, die eine Lagerkapazität von bis zu 40.000 Impfdosen haben. Diese Tiefkühlschränke sind nicht viel größer als herkömmliche Standkühlschränke und können überall aufgestellt werden. Von diesen Stationen aus lassen sich Pflegeheime vor Ort und Patienten zuhause versorgen.
esanum: Wie viele Kühlcontainer kann S.O.S Rentals für medizinische Zwecke bereitstellen?
Stein: Unsere großen Tiefkühlcontainer sind für diese besonderen Anforderungen ausgelegt und wir planen mit bis zu 5 Containern, die wir bereitstellen können. Sollte sich der Bedarf entsprechend entwickeln, sind wir in der Lage diese Kapazitäten jederzeit, mit der entsprechenden Vorlaufzeit, anzupassen.
esanum: Kamen Ihre Kühlcontainer schon in anderen medizinischen Feldern zum Einsatz?
Stein: Die ganze Impfstoff-Lagerungsthematik war für uns jetzt natürlich ein naheliegendes Thema. Wir sind auf die Vermietung von Kältemaschinen bis -80 °C spezialisiert und beschäftigen uns von Haus aus mit dem Thema und kannten Lagerungsanforderungen mit Tieftemperaturen dementsprechend schon zu einem Zeitpunkt, als es Corona noch gar nicht gab.
Der Bedarf an Tieftemperatur-Kühlcontainer ist in mehreren Bereichen der Chemie- und Pharmabranche vorhanden. Um mit Biologien zu forschen und um diese Produkte zu lagern werden tiefe Temperaturen mit -65 °C und tiefer benötigt. Ansonsten verändern sich diese Stoffe und können nicht mehr genutzt werden. Da der Biopharmaziebereich wächst, gibt es auch Bedarf an Tieftemperaturlagerung.
esanum: Die Kühlcontainer haben also im medizinischen Forschungssektor einen breitgefächerten Verwendungsspielraum?
Stein: Die Tiefkühlcontainer werden meist für die Lagerung der produzierten Ware eingesetzt, da hier doch größere Lagerkapazitäten möglich sind. Im Forschungssektor wird eher auf Tiefkühlschränke zurückgegriffen. Sie sind kleiner und können auch im Labor aufgestellt und genutzt werden. Mittlerweile kommt das Thema Tiefkühlschränke in einigen Bereichen an seine Grenzen, da immer mehr Lagerkapazitäten benötigt werden. Hierfür sind in der Zukunft Lösungskonzepte gefragt.
Als Beispiele für die Tieftemperatur im medizinischen Forschungssektor sei hier die Langzeitforschung in der Krebstherapie genannt. Will man eine Langzeitstudie über mehrere Jahre oder Jahrzehnte durchführen, benötigt man das Ursprungsmaterial und die heutige Probe. Das biologische Ursprungsmaterial soll dabei unverändert bleiben und das bedeutet eine Lagerung kälter als -70 °C über die gesamte Zeitspanne und es darf zu keiner Unterbrechung dieser Kühlkette kommen.
Neben der Lagerung dienen die Tiefkühlcontainer als Testraum, um zu erforschen, welche Veränderungen sich am Material und Stoff einstellen. Hier sind für unsere Kunden unterschiedlichste Kriterien von Interesse: Schwindungsverhalten, Brüchigkeit, Dichte, Viskosität u.v.m. Aber da fragt man besser das Forschungsunternehmen, welches die Tiefkühlcontainer und -Maschinen mietet.