Nach der Geburt eines Kindes wird den Eltern von der Entbindungsstation oder der Hebamme ein gelbes Kinder-Untersuchungsheft. Dieses "Gelbe Heft" begleitet heute über elf Millionen Kinder bis zum 15. Geburtstag zu allen wichtigen Vorsorgeterminen. Und es wird auch fleißig in Anspruch genommen.
"Unsere Früherkennungsuntersuchungen sind ein Meilenstein der Prävention", sagte Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. med. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. "Sie sind wichtig, damit mögliche Krankheiten bereits früh erkannt und entsprechend behandelt werden können. Dann sind die Aussichten auf eine Heilung oft besonders groß." Seit seiner Einführung habe sich das Programm der Kindervorsorge zu einem einmaligen Erfolgsmodell entwickelt.
Mittlerweile werden von den Krankenkassen die Kosten von elf Untersuchungen von der Geburt bis zum 14. Lebensjahr übernommen: Die U1 bis U9 sowie die Jugendgesundheitsuntersuchung J1. Ein erst 2008 hinzugekommener weiterer Vorsorge-Termin im 34. bis 36. Lebensmonat wurde als "U7a" eingeführt.
Neben den gesetzlich festgelegten Untersuchungen des U-Untersuchungsprogramms bieten eine Reihe von Krankenkassen zusätzliche Untersuchungen, insbesondere für Kinder im Grundschulalter (U10 und U11) und für Jugendliche (J2) an. Die Kosten werden von einzelnen Krankenkassen als freiwillige Leistung übernommen.
Die Akzeptanz der Kindervorsorge ist viel höher als die für die Früherkennungsuntersuchungen im Erwachsenenalter. Nach den Daten der großen bundesweiten Untersuchung zur Kindergesundheit "KiGGS Welle 2" liegen die Teilnahmequoten an den meisten Früherkennungsuntersuchungen bei über 95%. So haben an der U1 und U2 99,7% beziehungsweise 99,6% und an der U8 und U9 98,0% beziehungsweise 98,1% der Kinder teilgenommen. Der Vergleich mit den vorausgegangenen KiGGS-Erhebungen zeigt, dass die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig haben sich die früher stark ausgeprägten sozialen Unterschiede verringert.
Die einzelnen U-Untersuchungen bestehen – neben speziellen Screening-Untersuchungen auf bestimmte Erkrankungen – aus körperlichen Untersuchungen des Kindes sowie einer Beratung der Eltern. Bei der Beurteilung der Entwicklung untersucht die Ärztin oder der Arzt die Grob- und Feinmotorik, die Sinnesorgane und die Wahrnehmung, die soziale und emotionale Kompetenz des Kindes und die Interaktion des Kindes mit den Eltern. Teil der Untersuchung ist auch die Überprüfung des Impfstatus und die Beratung zur Verbesserung des Impfschutzes des Kindes.
Auffällige Befunde bei den Kindervorsorgen sind seit vielen Jahren rückläufig. Wie wichtig die Vorsorgeuntersuchungen dennoch sind, zeigt dagegen folgende Zahl: Jeder fünfte Fall (21%) einer kindlichen Entwicklungsstörung wird bei einer Vorsorgeuntersuchung entdeckt.
Eine dem Gelben Heft beigefügte Karte erleichtert es Eltern, bei Bedarf nachzuweisen, dass das Kind an allen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen hat – ohne dass dabei persönliche Befunde gezeigt werden müssen. Die Karte eignet sich z.B. zur Vorlage bei der Kita, der Schule oder dem Jugendamt. Die Karte dient auch als Bestätigung, dass die Beratung zur Impfung durchgeführt wurde.
Ein Problem lässt sich allerdings nur schwer beseitigen: Während die Kinder im Vorschulalter regelmäßig einer Ärztin oder einem Arzt vorgestellt werden, haben Jugendliche oft "keinen Bock", zum Arzt zu gehen. Die allen Heranwachsenden vom 12. bis zum 15. Geburtstag angebotene Jugendgesundheitsuntersuchung J1 wird von der Mehrzahl der Teenager nicht wahrgenommen. Viele wissen nicht einmal, dass es sie gibt.
Dabei werden bei dieser Untersuchung öfter einige bis dahin unerkannt schlummernde gesundheitliche Probleme entdeckt. Dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen der Schilddrüse, der Geschlechtsorgane oder die Skoliose, eine fortschreitende Verkrümmung der Wirbelsäule. Besprochen werden auch Probleme von Sexualität und Verhütung.