Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) thematisierte in diesem Jahr besonders die Notwendigkeit der Behebung von Personalengpässen in der Versorgung. Eine wichtige Stellungnahme bezieht sich außerdem auf die bereits bestehenden und langfristig zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit.
Laut Stellungnahme gehe es dabei nicht nur um die Stress und Angst auslösenden direkten und indirekten Erfahrungen von Katastrophen, die im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und Wetterextremen stehen, sondern langfristig um die Auswirkungen des Klimawandels, wie zum Beispiel klimabedingte Bevölkerungsmigration, Nahrungsmittelknappheit, schlechte Lebensmittelqualität, ein potenzieller Anstieg übertragbarer Krankheiten oder Luftverschmutzung. All diese Veränderungen seien ursächlich mit negativen Folgen für die psychische Gesundheit verknüpft, wobei Menschen mit bereits bestehenden psychischen Krankheiten in ihrer Vulnerabilität solchen Faktoren gegenüber besonders empfänglich seien. Nicht zuletzt steige bei klimabedingten Katastrophen der Bedarf an psychiatrischen Diensten, die jedoch gerade dann häufig schlechter verfügbar seien.
Gudrun Schliebener, Vorsitzende des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK), setzt sich für eine Verbesserung der Versorgungslage ein. "Forschung ist im Bereich der Psychiatrie wichtig und notwendig, aber aus unserer Sicht darf Forschung nicht zum Selbstzweck werden. Alle Resultate, die sich beispielsweise aus der Entwicklung moderner, bildgebender Verfahren entwickeln lassen oder neue Erkenntnisse über genetische Zusammenhänge im Bereich der Biomarker müssen Eingang in die Versorgung finden. Und nicht erst in 50 Jahren. Das heißt, sie müssen den Betroffenen und ihren Angehörigen direkt zugute kommen."
So betonte Schliebener die Wichtigkeit, Betroffene und Angehörige in Forschung und Entwicklung als kritische Beobachtende mit einzubeziehen. Auch müsse der Aufwand evaluiert werden, den betroffene Familien leisten, denn Familien seien nach wie vor der größte Hilfeverbund für psychisch erkrankte Menschen. Dies jedoch werde sich in den nächsten Jahren ändern, da das klassische Familienmodell in seiner (noch) bestehenden Form in der Auflösung begriffen ist.
Schliebener kritisierte dies als "blinden Fleck" im Hilfesystem, der bei der Planung der Versorgung für die kommenden Jahre nicht berücksichtigt werde. Zu selbstverständlich werde die Familie als Hilfe in Anspruch genommen, deren strukturelle Veränderungsprozesse jedoch ignoriert. Familien seien "emotional, sozial und auch finanziell am meisten gefordert", so Schliebener weiter, jedoch gebe es praktisch keine Erhebungen zu den Belastungen, denen sie ausgesetzt seien. "Niemand kümmert sich darum, denn nach wie vor tragen die Familien diesen Riesenanteil: er spielt nur keine Rolle, weil er im finanziellen Versorgungssystem eben auch nicht auftaucht." Dabei könne die finanzielle Belastung durch die Versorgung eines psychisch erkrankten Familienmitglieds durchaus die Größenordnung eines Einfamilienhauses erreichen. Eine Forderung ist, diese Aspekte in einer modernen und zukunftsorientierten Psychiatrieforschung zu berücksichtigen.
Um die Versorgungslage zu verbessern, wurde vom BApK eine Petition im Bundestag eingereicht. Ziel ist, bis zum 24. Dezember 2019 50.000 Unterschriften zu sammeln, damit der Gesetzgeber Maßnahmen für ausreichend Personal und Zeit für eine qualitativ gute Behandlung für Menschen mit psychischen Erkrankungen beschließt. Sie finden die Petition zur Unterschrift hier
Quellen:
Eröffnungsveranstaltung des DGPPN 2019, Berlin, 27.11.2019
Eröffnungspressekonferenz des DGPPN 2019,"Psychiatrieforschung heute und morgen", Berlin, 27.11.2019