Auch Jahrzehnte nach Einführung einer effektiven Therapie werden Menschen mit HIV in Deutschland nach Einschätzung der Aids-Hilfe noch immer ausgegrenzt. "Das größte Problem bleibt die Diskriminierung", sagte Ulf Hentschke-Kristal vom Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe am Mittwoch in Stuttgart. Dort beginnt am Donnerstag Europas größte Konferenz zum Leben mit HIV unter dem Titel "Positive Begegnungen".
Ausgrenzung zeige sich im Job, wo etwa die Leistungsfähigkeit in Frage gestellt werde, beim Arzt, wo man nur den letzten Termin des Tages bekomme, oder durch Getuschel und Tratsch, berichtete Hentschke-Kristal. Fast 77 Prozent der Infizierten gaben in einer älteren Umfrage der Aids-Hilfe von 2012 an, im Jahr vor der Befragung Diskriminierung erlebt zu haben. Es sei davon auszugehen, dass sich dieser Wert nicht sehr verändert hat, sagte Sprecher Holger Wicht.
HIV-Therapien sorgten inzwischen verlässlich dafür, dass die Betroffenen gesund blieben. Die Todesangst der 90er-Jahre ist weg. Therapie verhindere auch die Übertragung von HIV, hieß es bei der Aids-Hilfe. "Unser Ziel ist ein ganz selbstverständlicher Umgang mit HIV-positiven Manschen in allen Lebensbereichen", sagte Hentschke-Kristal. Ziel der bis Sonntag dauernden Konferenz sei auch, sichtbar zu sein und Ängste abzubauen.
Die Zahl der mit HIV infizierten Menschen in Deutschland wird auf fast 90.000 geschätzt, über 70.000 davon Männer. Jährlich stecken sich laut Aids-Hilfe hierzulande etwa 3.100 Menschen neu an. Teilweise auch, weil die Erfolge der Therapie noch nicht überall bekannt seien oder greifen könnten. Ebenfalls geschätzt ist die Zahl der Todesfälle pro Jahr von HIV-Infizierten von rund 460. Meist handele es sich dabei um Fälle, in denen die Krankheit zu spät entdeckt wurde.
Firmen wie IBM, SAP und Daimler gehören zu den Erstunterzeichnern einer Deklaration "Respekt und Selbstverständlichkeit. Für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen". Zur Konferenz "Positive Begegnungen" werden ab Donnerstag 400 Menschen mit HIV, Angehörige und Freunde sowie Engagierte aus Aidshilfen, dem Medizinbetrieb, Politik und Medien erwartet. Zu einem Demozug am Samstag werden mehrere hundert Teilnehmer erwartet.