Lebenslang haltbare Prothesen: Kostendruck bremst Forschung aus

Hüft- und Knieprothesen ermöglichen Millionen von Menschen mit schwerer Arthrose Schmerzfreiheit und Mobilität. Doch die Entwicklung von lebenslang haltbarem Material ist mit höheren Kosten - etwa für OP-Robotik - verbunden und wird von den Fallpauschalen nicht abgedeckt.

Abriebfestes Material teurer als Standardlösung

Hüft- und Knieprothesen ermöglichen Millionen von Menschen mit schwerer Arthrose Schmerzfreiheit und Mobilität. Doch die Standzeit der Implantate ist begrenzt. Auf dem Weg zu lebenslanger Haltbarkeit spielen das Prothesenmaterials, die Implantationstechnik und die zertifizierte Prozessqualität der Klinik eine bedeutende Rolle. Doch die Entwicklung von lebenslang haltbarem Material ist mit höheren Kosten - etwa für OP-Robotik - verbunden und wird von den Fallpauschalen (DRGs) nicht abgedeckt. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. (AE) fordert im Vorfeld ihres 22. Jahreskongresses vom 2. bis 4. Dezember 2020 einen Zentrums- und Qualitätszuschlag für die nachhaltige Versorgung von PatientInnen.

Zwei britische Studien zur Haltbarkeit von Hüft- und Knieprothesen aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass rund 58% der Hüftprothesen und 82% der künstlichen Kniegelenke (Vollersatz) selbst nach 25 Jahren noch nicht ausgetauscht werden mussten. 1,2 Das sei auch hierzulande bei Menschen ab 70 Jahren der Fall. Eine belastende Wechseloperation will man künftig auch jüngeren Menschen ersparen, sagt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik e. V. (AE) und Ärztlicher Direktor des Herzogin Elisabeth Hospitals Braunschweig und Chefarzt der Orthopädischen Klinik.

Die PatientInnen müssen ihr Gewicht kontrollieren, Infektherde im Körper vermeiden oder rasch beseitigen, sich regelmäßig bewegen, um die gelenkstabilisierende Muskulatur zu erhalten, und ihre Gesundheit regelmäßig überwachen lassen, weiß Heller. Im Zusammenspiel mit dem richtigen Prothesenmaterial und der Struktur- und Prozessqualität beim Einsetzen des Gelenkes auf der Arztseite, sind das die wichtigsten Faktoren, damit das Gelenk lange seinen Dienst erfüllt. Auch die Präzision der Operation im Sinne der Passgenauigkeit des Implantates und die optimale Rekonstruktion der individuellen Biomechanik spielen eine zentrale Rolle.

Eine Kombination aus neuartigen Mischkeramiken bietet beim Implantat die beste Sicherheit gegen Abrieb und Materialverschleißund damit Lockerungen der Hüfte. Allerdings liegen zwischen Standardversorgung und der innovativen abriebfesteren Lösung 1.000 Euro.

Besser werden müsse laut Heller die Anpassung an die individuellen körperlichen Voraussetzungen vor allem bei sehr großen und sehr kleinen Menschen sowie bei PatientInnen mit Asymmetrien oder starken Achsabweichungen ihrer Beine (O- und X-Beine). Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Einsatz von OP-Robotersystemen zu einer höheren Präzision des Einbaus führen können.4,5 Langfristige klinische Studien gibt es bisher noch nicht, dennoch seien sie in einigen Nachbarländern und den USA deutlich zahlreicher im Einsatz.

Ein Grund für die Zurückhaltung in Deutschland könnten die relativ hohen Anschaffungskosten sein. Ein entsprechender OP-Roboter kostet zwischen 500.000 und 1.500 000 Euro, hinzu kommen Materialkosten von etwa 500 Euro pro OP und die Zertifizierung zum Endoprothetikzentrum nach EndoCert. Das deckt die Fallpauschale von 6000 bis 7000 Euro pro Implantation nicht ab, die Kosten für die Standardversorgung hingegen befinden sich in diesem Rahmen. Das lässt laut Heller keinen Spielraum für Innovationen und benachteilige die Kliniken, die den Schritt trotzdem wagen würden. "Im Sinne einer langfristig gedachten Wirtschaftlichkeit und Gesundheitsökonomie muss sich das ändern."

Weitere Einblicke in die Endoprothese der Zukunft können Experten bei der Online-Pressekonferenz der AE 25. November 2020 erhalten.

Quellen:
1. Jonathan T Evans, Jonathan P Evans, Robert W Walker, Ashley W Blom, Michael R Whitehouse, Adrian Sayers, How long does a hip replacement last? A systematic review and meta-analysis of case series and national registry reports with more than 15 years of follow-up.
2. Jonathan T Evans, Robert W Walker, Jonathan P Evans, Ashley W Blom, Adrian Sayers, Michael R Whitehouse, How long does a knee replacement last? A systematic review and meta-analysis of case series and national registry reports with more than 15 years of follow-up.
3. Skinner J. A., Haddad F. S., Ceramics in total hip arthroplasty - a bearing solution? Bone Joint J 2017;99-B:993–5, DOI:10.1302/0301-620X.99B8
4. Emily L. Hampp, Morad Chughtai, Laura Y. Scholl, Nipun Sodhi, Manoshi Bhowmik-Stoker, David J. Jacofsky, Michael A. Mont, Robotic-Arm Assisted Total Knee Arthroplasty Demonstrated Greater Accuracy and Precision to Plan Compared with Manual Techniques, J Knee Surg 2019; 32(03): 239-250 DOI: 10.1055/s-0038-1641729
5. Babar Kayani, Sujith Konan, Atif Ayuob, Salamah Ayyad, Fares S Haddad, The current role of robotics in total hip arthroplasty, EFFORT open reviews, 2019 Nov 1;4(11):618-625. DOI: 10.1302/2058-5241.4.180088