NuklearmedizinerInnen haben unlängst herausgefunden, dass viel mehr angreifbare PSMA-Moleküle auf der Tumoroberfläche des Prostatakarzinoms entstehen, wenn sie ein eigentlich bereits wirkungslos gewordenes Medikament verabreichen. Auf diese Weise gelangt deutlich mehr Therapie-relevante Radioaktivität in die Tumorzellen als bisher.
Im Mittelpunkt der Forschungen stehen dabei zwei Rezeptoren auf der Tumoroberfläche: Zum ersten das "Prostataspezifische Membranantigen“ (PSMA), ein Eiweißmolekül, das sehr häufig auf der Oberfläche von Prostatatumoren vorkommt. Über dieses Einfallstor gelingt es NuklearmedizinerInnen, radioaktiv strahlende Substanzen in die Tumorzelle einzuschmuggeln und so die bösartigen Zellen von innen zu zerstören. Je mehr es davon gibt, desto mehr Radioaktivität können die Ärzte prinzipiell in die Zellen einbringen, ohne die Gesamtdosis zu erhöhen.
Zum zweiten spielt eine Sorte Rezeptoren auf dem Tumor eine Rolle, an die männliche Geschlechtshormone wie Testosteron andocken. "Prostatatumoren benötigen Testosteron wie ein Auto Benzin", erklärte Samer Ezziddin. Diese Rezeptoren zu blockieren, entzieht dem Krebs gleichsam den Treibstoff. "Das funktioniert mit Medikamenten wie zum Beispiel Enzalutamid eine Zeitlang sehr gut, der Tumor schrumpft dann in der Folge", so Samer Ezziddin: "Nach einer gewissen Zeit – einige Monate, vielleicht Jahre, wenn es gut läuft – wirkt das Medikament aber nicht mehr, der Tumor wächst dann wieder."
Weglassen sollten ÄrztInnen das Enzalutamid aber dann dennoch nicht, wie Ezzidin in seiner Studie zeigte. Denn was für die eine Therapie schlecht ist (ein wirkungsloses Medikament), kann für eine andere Form der Therapie vielleicht gut sein: "Wir hatten den Verdacht und später eindeutige Hinweise, dass die PSMA-Dichte zunimmt, wenn der Androgenrezeptor auf der Tumoroberfläche, an den das Testosteron andockt, blockiert ist", erläuterte Ezzidin die Ausgangslage.
"Außerdem konnten wir nachweisen, dass mit der Gabe von Enzalutamid die PSMA-Dichte auf der Tumoroberfläche deutlich zugenommen hat, selbst wenn es eigentlich gar keine Wirkung mehr in seinem ursprünglichen Sinn gezeigt hatte und schon abgesetzt wurde“, erläuterte Samer Ezziddin.
Zwar umfasste die Studie nur zehn Patienten. "Aber wir konnten nach der Gabe von Enzalutamid bei allen einen deutlichen Anstieg der PSMA-Moleküle auf den Tumorzellen feststellen“, sagte der Nuklearmediziner: "Auf diese Weise ist es uns möglich, viel mehr radioaktive Substanz in die Tumorzellen einzuschleusen und diese gezielt bis auf Mikrometerebene hinab zu von innen zu bestrahlen“, erklärte Ezziddin den neuen Ansatz. Damit lassen sich Prostatatumoren künftig viel effizienter und schonender mit der so genannten PSMA-gerichteten Radioligandentherapie behandeln als dies bisher der Fall war.
"Unsere Studienergebnisse müssen nun in größeren Studien weiter erforscht und untermauert werden“, so Samer Ezziddin über das weitere Vorgehen: "Wir wollten unser Wissen jedoch so schnell wie möglich verbreiten, da es vielen Patienten helfen kann. Daher haben wir uns für eine erste 'short communication' entschieden. Denn ich gehe davon aus, dass selbst diese kleine Studie zu einem drastischen 'Management change' in der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakrebses führen wird“, ist sich der Spezialist Ezziddin sicher.