Seltene Erkrankungen treten weltweit auf und doch ist über deren einzelne Prävalenzen nur wenig bekannt. Eine neue Datenbank ermöglicht erstmals valide Zahlen zu erstellen. Demnach sind derzeit bis zu 300 Millionen Menschen weltweit von einer seltenen Erkrankung betroffen.
Die Orphanet genannte Datenbank des INSERM (Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale) ist die weltweit erste koordinierte Datenbank zu seltenen Erkrankungen. Gespeist wird die Sammlung überwiegend durch Angaben aus einschlägigen Publikationen.
Seltene Krankheiten werden definiert als Erkrankungen, von denen weniger als 5 Menschen pro 10.000 betroffen sind. Bisher gab es nur sehr wenige epidemiologische Studien zu diesem Thema und nur selten wurden für die Auswertung der Daten Bevölkerungsstatistiken verwendet. Dies machte es bisher unmöglich, weltweite Prävalenzen für diese Erkrankungsentitäten schätzen zu können.
Ursprünglich 1997 gegründet, umfasst das INSERM mittlerweile Partner aus 40 Ländern, hauptsächlich auf europäischem Gebiet. In der vorliegenden Studie untersuchten die WissenschaftlerInnen Datensätze zu insgesamt 3.585 seltenen Erkrankungen. Seltene Tumoren, Infektionen oder Vergiftungsfolgen wurden allerdings ausgenommen.
Nach Schätzungen anhand der Datenbank leiden derzeit circa 4% der Weltbevölkerung an einer als seltene Erkrankung eingestuften Krankheit. In Menschen ausgedrückt, sind dies rund 300 Millionen. Von allen untersuchten Erkrankungen entfallen mehr als 80% der Fälle auf nur 149 dieser seltenen Erkrankungen. 72% sind zudem genetisch bedingt.
In der Summe sind seltene Erkrankungen somit eigentlich gar nicht so selten. Allerdings fristen viele dieser Krankheiten und damit ebenso die Betroffenen selbst ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Das führt am Ende häufig dazu, dass sie auch innerhalb des Gesundheitssystems nur unzureichend versorgt werden, wenig Unterstützung oder sogar keine Erstattungen der vorhandenen Therapieansätze erhalten.
Valide Schätzungen zur Zahl der von seltenen Erkrankungen betroffenen PatientInnen sind daher ein erster Schritt, um die Forschung über seltene Erkrankungen zukünftig zu intensivieren, aber vor allem, diesen die bestmögliche Behandlung zukommen lassen zu können.
Quellen:
Pressemitteilung INSERM (France) vom 24.10.2019; https://presse.inserm.fr/en/maladies-rares-plus-de-300-millions-de-patients-dans-le-monde/36980/
Wakap SN et al.,European Journal of Human Genetics 2019; doi: 10.1038/s41431-019-0508-0 [Originalpublikation]