Wer zu Hause Medikamente, Wasser und Nudeln für den Krisenfall hortet, wurde früher oft belächelt. Praktische private Vorsorge für den Krisenfall hat durch die Corona-Pandemie in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen - auch jenseits von Toilettenpapier-Panikkäufen.
"Ich glaube, dass durch die Pandemie das Verständnis für Bevölkerungsschutz und Selbstschutz gewachsen ist", sagte der neue Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster.
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) habe einst viel Spott geerntet, als er auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, für den Notfall einen kleinen Vorrat an Wasser, Nahrungsmitteln, Verbandszeug und bestimmten anderen Gütern anzulegen. "Heute werden wir mit unseren Empfehlungen - bedingt durch COVID-19 und Quarantäneerfahrungen - deutlich ernster genommen", fügte Schuster hinzu. Das BBK verzeichne aktuell ein hohes Interesse an seinen Leitfäden für den Notfall, berichtete der Präsident der Bonner Behörde. Szenarien wie Stromausfall seien in vielen Krisenlagen denkbar. Dafür sollte man gewappnet sein - etwa mit einem batteriebetriebenen Radio, sagte Schuster.
Als der damalige Innenminister de Maizière 2016 ein Zivilschutzkonzept vorlegte, das auch Vorschläge für die private Vorsorge enthielt, war in der öffentlichen Debatte von "Panikmache" die Rede. Eine Umfrage zeigte allerdings auch, dass damals knapp ein Drittel der BürgerInnen bereits Vorräte für den Krisenfall angelegt hatte.
Im BBK-Ratgeber für Katastrophen wie Hochwasser, Stromausfall oder Sturm heißt es: "Ihr Ziel muss es sein, 10 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können." Pro Person sollten dafür unter anderem 20 Liter Wasser sowie vier Kilogramm Gemüse und Hülsenfrüchte im Haus sein. Kerzen, Streichhölzer, Batterien und eine Taschenlampe stehen ebenso auf der Checkliste wie Müllbeutel und Toilettenpapier. Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 waren vor allem Toilettenpapier und Desinfektionsmittel in deutschen Supermärkten zeitweise knapp geworden. Zum Teil wurden solche Produkte mit dem Hinweis verkauft, jeder Kunde dürfe nur haushaltsübliche Mengen davon erwerben.
In Deutschland hat der Bund nur die Aufgabe, die Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren zu schützen. Für den Schutz vor großen Unglücken und Katastrophen in Friedenszeiten sind dagegen die Länder zuständig. Ob dieses Prinzip in Zeiten von Bedrohungen durch Cyberangriffe noch zeitgemäß ist, stellen einige PolitikerInnen inzwischen infrage. "Die getrennten Zuständigkeiten des Bundes für den Zivilschutz und der Länder für den Katastrophenschutz erschweren einen wirksamen Schutz der Bevölkerung", stellte bereits 2013 der Bundesrechnungshof fest.
Auch zum Start der Corona-Schutzimpfungen hat sich gezeigt, dass die Aktivitäten der beteiligten AkteurInnen nicht immer wie Zahnräder ineinander greifen - beispielsweise wenn Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) über mangelnde Verlässlichkeit bei der Lieferung von Impfstoff an die Impfzentren klagt. Das Gesundheitsministerium widersprach dieser Darstellung. Ein Sprecher in Berlin sagte: "Die Länder wissen sehr genau, wie das mit Lieferterminen und Liefermengen aussieht."
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte den CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Bundespolizisten Schuster im vergangenen Herbst mit der Leitung des BBK betraut. Schusters Vorgänger, dem langjährigen Präsidenten Christoph Unger, war nicht nur der fehlgeschlagene bundesweite Warntag im September angelastet worden. Kritik hatte es auch an der mangelnden Sichtbarkeit des Amtes in der Öffentlichkeit gegeben und an der aus Sicht des Ministeriums zu zaghaften Rolle, die das BBK bei der Vernetzung der für Katastrophenschutz in Friedenszeiten zuständigen Landesbehörden spielte.
Beispielsweise hatte das BBK 2012 in einer Risikoanalyse eine Sars-Virus-Pandemie durchgespielt. In den zuständigen Landesbehörden wurden aber keine entsprechenden Konsequenzen gezogen - etwa große Vorräte von Schutzanzügen und Masken angelegt.
Der neue Amtsleiter will, dass das BBK künftig eine "selbstbewusstere Koordinierungsrolle" einnimmt. Dafür brauche es eine "einvernehmliche Kooperation mit den Ländern, den Hilfsorganisationen, dem THW und der Bundeswehr", sagte Schuster. Zuständigkeitsfragen stünden aus seiner Sicht erst an, wenn diese Kooperation gut funktioniere.
Ein Beispiel dafür, wie er die Aufgabe der Bonner Behörde versteht, ist ein vom BBK organisiertes Forum, in dem sich die Betreiber von Impfzentren aus ganz Deutschland mit Fachleuten austauschen sollen. Denn bisher plant und arbeitet im Wesentlichen jedes Bundesland alleine vor sich hin. Auch die Art und Weise, wie die BürgerInnen an ihre Impftermine kommen, ist von Land zu Land verschieden. "Der Betrieb eines Impfzentrums mit völlig neuen Impfstoffen stellt uns alle vor immense Herausforderungen", sagt Schuster.
Weit oben auf der Agenda der Behörde steht seinen Angaben zufolge auch die Frage, wie die Trinkwasserversorgung, das Stromnetz und Krankenhäuser unter Extrembedingungen funktionsfähig bleiben. Dabei gehe es unter anderem um die Förderung von Trinkwassernotbrunnen und Notstromaggregaten in der Trinkwasserversorgung.