Narzissmus nimmt im Alter ab

Anhand zweier Befragungen von Personen der Generation X und einem zeitlichen Abstand von 23 Jahren fand ein Forschungsteam heraus, dass Narzissmus im Alter abnimmt. Das gilt ebenso für die typischen Charakteristika wie Eitelkeit, Anspruchsdenken und Führungsdrang.

Anstieg an Kompromissbereitschaft, Gewissenhaftigkeit und emotionaler Stabilität

Anhand zweier Befragungen von Personen der Generation X und einem zeitlichen Abstand von 23 Jahren fand ein Forschungsteam heraus, dass Narzissmus im Alter abnimmt. Das gilt ebenso für die typischen Charakteristika wie Eitelkeit, Anspruchsdenken und Führungsdrang.

1992 befragte ein Forschungsteam 486 Studentinnen und Studenten der University of California und kam 23 Jahre später auf 237 davon zurück. Obwohl es sich bei der Studiengruppe um eine eher elitärere Gruppe handelt – 64 Prozent davon erhielten einen Diplom-Abschluss und verdienen das Doppelte des amerikanischen Durchschnittseinkommens -, sind die ForscherInnen von den Ergebnissen so überzeugt, dass sie ihrer Ansicht nach für die gesamte Generation X anwendbar sind.

Nach Ansicht der WissenschaftlerInnen lassen die neuen Resultate auch eine klare Verbindung zu den früheren Untersuchungen erkennen. Professor Emily Grijalva, Mitverfasserin der Studie, erläutert: "Die früheren Forschungen gingen davon aus, dass Menschen im Verlauf der Zeit zunehmend reifer werden. Das zeigt sich auf dem Weg vom jungen Erwachsenenalter zum mittleren Alter daran, dass sie gewissenhafter, kompromissbereiter und emotional stabiler werden. Angst und Depressionsgefühle nehmen hingegen ab."

Narzissmus als "Antithese zur Reife"

Nach der Ansicht von Grijalva stellt Narzissmus die "Antithese zur Reife" dar. Sie erklärt: "In unserer Untersuchung betrachten wir Reife in sozialer Hinsicht, also im Hinblick auf menschliche Umgänglichkeit und Produktivität in der Gesellschaft."

Nur bei 3 Prozent der StudienteilnehmerInnen ließ sich ein gesteigertes narzisstisches Verhalten erkennen. Mitautorin Eunike Wetzel von der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg merkt an: "Manche Studienteilnehmer waren mit 41 auch einfach noch genauso narzisstisch wie im Alter von 18 Jahren."

Führungsdrang und Anspruchsdenken nehmen am meisten ab

Typischerweise wird Führungsfähigkeit von vielen Menschen als positive Eigenschaft gewertet, die ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein erfordert. Da andere Studienergebnisse nachweisen konnten, dass das Durchsetzungsvermögen mit dem Alter zunimmt, gingen die ForscherInnen davon aus, dass dies auch bei narzisstischen Personen der Fall sein würde.

Studienmitverfasser Brent Roberts gibt zu: "Für mich war die Annahme plausibel, dass auch in diesem Fall ein vergleichbarer Anstieg in puncto Führungsvermögen stattfindet." Die Studienergebnisse wiesen allerdings das genaue Gegenteil nach. Unter allen untersuchten Eigenschaften waren Führungsdrang und Anspruchsdenken die Charakteristika, die am meisten abgenommen hatten.

Eitelkeit fördert instabilere Beziehungen – aber auch die körperliche Fitness

Darüber hinaus fand das Forschungsteam heraus, dass StudienteilnehmerInnen, die nach der ersten Untersuchung als eitel eingestuft wurden, häufiger instabile Beziehungen führten und häufiger geschieden waren. Außerdem hatten diese ProbandInnen weniger Kinder. Dafür waren diese Personen im Alter von 40 häufig in körperlich gesünderer Verfassung. Grijalva geht davon aus, dass als eitel eingestufte StudienteilnehmerInnen einen größeren Fokus auf gesunde Ernährung und Sport legen.

Studienteilnehmer, die in der früheren Umfrage als besonders anspruchsvoll charakterisiert wurden, waren hingegen zum Zeitpunkt der späteren Untersuchung in schlechterer Verfassung. Diese Personen wiesen zu Beginn ihrer 40er Jahre weniger Zufriedenheit im Leben und häufiger einen höheren BMI auf.

Führungspositionen können Narzissmus bestärken

Im Hinblick auf das berufliche Vorankommen konnten die ForscherInnen einen starken Einfluss durch Narzissmus erkennen. Grijalva erläutert: "Narzisstische junge Erwachsene waren nach 23 Jahren häufiger in Führungspositionen. Das legt nahe, dass selbstsüchtige und arrogante Persönlichkeiten häufiger mit einflussreichen beruflichen Positionen belohnt werden. Außerdem war zu erkennen, dass die Überwachung Anderer zu einer geringeren Abnahme des narzisstischen Verhaltens führten. Das zeigt, dass Führungspositionen zur Aufrechterhaltung von Narzissmus beitragen können."

Durch die Studie erkannte das Forschungsteam zudem drei Wege, wie Beziehungen sich auf Eitelkeit auswirken.

Im Alter wird der eigene Narzissmus vergessen

"Interessanterweise wird heute oft davon ausgegangen, dass Menschen der Generation Y im Vergleich zu älteren Generation deutlich anspruchsvoller und eitler sind. Dabei gibt es viele wissenschaftliche Belege dafür, dass dies nicht der Wahrheit entspricht", erklärt Grijalva.

Dieser Trugschluss kommt nach Ansicht des Forschungsteams daher, dass generationsübergreifende Vergleiche gerne zu einen späteren Lebenszeitpunkt stattfindet, wenn bei der älteren Generation schon längst eine Abnahme des narzisstischen Verhaltens stattgefunden hat. Ältere Menschen, so Grijalva, "haben einfach vergessen, wie narzisstisch sie waren, als sie noch jung waren."

Quelle:
Wetzel, E., Grijalva, E., Robins, R., & Roberts, B. (2019, August 20). You’re Still so Vain; Changes in Narcissism from Young Adulthood to Middle Age. https://doi.org/10.1037/pspp0000266