Fünf Jahre nach Erstveröffentlichung der Empfehlungen zum Management der Sepsis und des septischen Schocks gibt es nun eine Reihe von neuen Erkenntnissen.
Die internationale Autorengruppe der Leitlinie spricht sich nach neuesten Erkenntnissen nun gegen zwei vorherige Behandlungsmöglichkeiten aus: So wird vom Einsatz von Vitamin C in der Sepsis beziehungsweise dem septischen Schock explizit abgeraten. Und anstatt Kochsalzlösungen als Volumenersatz heranzuziehen, sollten jetzt nur noch balancierte Kristalloidlösungen verwendet werden, weil diese in einer Reihe von Studien mit weniger Nebenwirkungen und einer verbesserten Überlebenschance der Patienten einhergegangen sind. "Insgesamt sind in den vergangenen Jahren nur wenige gute Studien zu Sepsis und septischen Schock publiziert worden. In diesem Bereich kann noch mehr Forschungsarbeit geleistet werden", sagt Prof. Tobias, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, der als Vertreter der European Respiratory Society der einzige deutsche Mitwirkende in der Leitliniengruppe war.
Die neuesten Erkenntnisse, die von den mehr als 50 Forschenden zusammengetragen wurden, sind parallel in den Publikationen Critcal Care Medicine und Intensive Care Medicine publiziert worden. Im Unterschied zur Fassung aus dem Jahr 2016 wird nun auch die Gabe von Vasopressoren über einen peripheren Zugang empfohlen. Die Wissenschaftler:innen befürchten, dass durch das Legen eines zentralvenösen Zugangs ein zu großer Zeitverlust bei dieser ohnehin zeitkritischen Behandlung entstehen kann. Außerdem wurde die Empfehlung zum Einsatz von intravenösem Hydrocortison geändert. Während sich die Mediziner in der Vergangenheit noch gegen einen Einsatz von Hydrocortison entschieden, wenn sich mit Vasopressoren ein ausreichender Mitteldruck herstellen ließ, so wird jetzt ein Einsatz von Hydrocortison immer empfohlen, wenn eine Vasopressor-Therapie über längere Zeit notwendig ist.
Weiter präzisiert wurden zudem die Empfehlungen zum Beginn der antiinfektiven Therapie: Damit sollte innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung begonnen werden. "Wenn mutmaßlich eine Sepsis vorliegt oder im Rahmen einer wahrscheinlichen oder möglichen Sepsis ein septischer Schock auftritt, sollen die relevanten Arzneimittel zur Behandlung der Infektionskrankheit weiterhin innerhalb einer Stunde verabreicht werden. Besteht jedoch eine mögliche Sepsis ohne septischen Schock, soll zunächst eine Abklärung zwischen infektionsbedingter und nicht infektionsbedingter Erkrankung durchgeführt werden", erklärt Welte. Gelingt dies nicht innerhalb von drei Stunden und bestünde weiterhin ein Infektionsverdacht, so soll die Antiinfektiva-Therapie umgehend eingeleitet werden.
Grundsätzlich bestätigt haben die Wissenschaftler:innen die Empfehlungen zur Beatmungstherapie aus dem Jahr 2016. Konkret geht es um die protektive Beatmung mit Begrenzung des Plateaudrucks und den Versuch einer Bauchlagerung zur Verbesserung des Gasaustauschs. Hier wird jetzt allerdings eine schrittweise Steigerung des Mitteldrucks – der positive endexspiratorische Druck, der nach dem Ausatmen in der Lunge verbleibt – als sogenanntes Recruitment-Manöver nicht mehr empfohlen. Die überarbeiteten Empfehlungen sehen außerdem vor, dass der Nachsorge von Patienten, die eine Sepsis oder einen septischen Schock überlebt haben, mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Leitlinie empfiehlt jetzt physische, kognitive und emotionale Probleme auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus weiter im Blick zu halten.
Die neuen Erkenntnisse werden detailliert beim DIVI2021 Virtuell am 3. Dezember vorgestellt.