Kernpunkte:
Onkologische Medikamente, die sich gegen therapeutisch angreifbare genetische Veränderungen ("druggable targets") richten, werden immer populärer und viele zeigen bemerkenswerte Ansprechraten. Doch für viele dieser Substanzen steht der Nachweis eines Effektes auf das Gesamtüberleben (OS) noch aus. Für eine kürzlich im 'European Journal of Cancer' veröffentlichte Arbeit nahmen amerikanische Onkologen zielgerichtete Therapeutika unter die Lupe, die zwischen 2006 und 2020 in den USA zugelassen wurden.1,2
Die Analyse schloss 53 Medikamente ein, die für 92 spezifische, genombasierte Indikationen zugelassen waren, am häufigsten waren dies Wirkstoffe, die sich gegen das Philadelphia-Chromosom, EGFR, HER2, BRAF V600 oder ALK richteten. Dementsprechend waren die häufigsten Indikationsgebiete Lungenkrebs (NSCLC), Brustkrebs, chronische myeloische Leukämie, das kolorektale Karzinom und das Melanom. In zwei Dritteln der Fälle handelte es sich um reguläre, in etwas mehr als einem Drittel der Fälle um beschleunigte Zulassungen.
Die Autoren suchten die Studien heraus, in denen entweder das Gesamtüberleben (OS) oder das PFS (progressionsfreie Überleben) untersucht worden war. Zu 50 Medikamenten (55%) fanden sie randomisierte Studien, die das Gesamtüberleben berichteten und bei 52 Medikamenten (57%) gab es Studien mit dem progressionsfreien Überleben (PFS) als Endpunkt.
Bei 34 Wirkstoffen/ Indikationen war keine signifikante Verbesserung des OS, PFS oder der Gesamtansprechrate (ORR) dokumentiert. Bei 18 Indikationen wurde eine Verbesserung des PFS allein, bei 2 eine Verbesserung des OS allein und bei 3 eine Verbesserung der ORR allein festgestellt.
Insgesamt war für nur 22 Wirkstoffe/ Indikationen (24%) eine Verbesserung des OS und für 51 (55%) eine Verbesserung des PFS nachgewiesen.1,2
"Zwei Drittel aller onkologischen Medikamente werden aufgrund von Surrogatmarkern, wie der Gesamtansprechrate (ORR) oder dem progressionsfreien Überleben (PFS), zugelassen. Doch nur bei einem von sieben Krebsmedikamenten, die aufgrund von Surrogatmarkern zugelassen werden, bestätigt sich anschließend in Verlängerungsstudien, Post-Marketing-Studien oder in später durchgeführten Studien ein Nutzen hinsichtlich des Gesamtüberlebens (OS)", geben die Autoren eingangs ihres Artikels zu bedenken.
"Zulassungen für genombasierte Indikationen beruhen häufig auf der ORR und haben in den letzten Jahren zugenommen", so die Autoren. Derzeit kommen 13,6% der Krebskranken in den USA für zielgerichtete Therapien in Frage. Der Prozentsatz der Patienten, die hierauf ansprachen, war bescheiden, laut einer Publikation vom Vorjahr aus den USA betrug dieser 7% der Behandelten.3
"...weitere Studien oder Post-Marketing-Studien sind erforderlich, um den Effekt auf das Überleben und die Lebensqualität, das Ausmaß dieses Nutzens und die Kosteneffizienz dieser Mittel zu überprüfen," schließen die Autoren.
Referenzen:
1. Many Oncology Drugs Approved for Genomic Indications Not Studied for Overall Survival Outcomes. Cancer Therapy Advisor https://www.cancertherapyadvisor.com/home/cancer-topics/general-oncology/many-oncology-drugs-genomic-indications-overall-survival-treatment-risk/ (2021).
2. Haslam, A., Kim, M. S. & Prasad, V. Overall survival for oncology drugs approved for genomic indications. European Journal of Cancer 160, 175–179 (2022).
3. Haslam, A., Kim, M. S. & Prasad, V. Updated estimates of eligibility for and response to genome-targeted oncology drugs among US cancer patients, 2006-2020. Annals of Oncology 32, 926–932 (2021).