Notfallrettung in Grenzregion soll grenzenlos werden

Einen schwer verletzten Menschen in die nächstgelegene Klinik zu bringen, ist in der deutsch-polnischen Grenzregion mitunter schwierig. Es fehlen rechtlich verbindliche Normen zur grenzüberschreitenden Notfallversorgung. Das soll sich ändern.

Notfallrettung im deutsch-polnischen Raum soll verbessert werden

Einen schwer verletzten Menschen in die nächstgelegene Klinik zu bringen, ist in der deutsch-polnischen Grenzregion mitunter schwierig. Es fehlen rechtlich verbindliche Normen zur grenzüberschreitenden Notfallversorgung. Das soll sich ändern.

Hunderte deutsche Touristen pendeln täglich nach Polen, polnische Köche und Kellner arbeiten in deutschen Hotels auf der Insel Usedom. Bricht sich der deutsche Urlauber in Polen ein Bein oder erleidet der polnische Koch einen Unfall, wird die Notfallversorgung mitunter schwierig. Deutsche und polnische Rettungsdienste wollen künftig stärker miteinander kooperieren und bei Bedarf auf der jeweils anderen Seite der Grenze tätig werden.

"In der deutsch-niederländischen und der deutsch-österreichischen Grenzregion funktioniert das seit Jahrzehnten gut", sagte der Leiter des Rettungsdiensts des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Lutz Fischer. Ähnliches wollen nun sieben Forschungseinrichtungen und Rettungsdienste aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und der polnischen Wojewodschaft Westpommern in der deutsch-polnischen Grenzregion auf den Weg bringen. "Vor allem die Luftrettung ist ein Problem." Bislang dürfe der polnische Hubschrauber nicht in den deutschen Luftraum fliegen und umgekehrt.

Am Donnerstag startete mit einer Konferenz in Greifswald das auf drei Jahre angelegte und mit zwei Millionen Euro geförderte Projekt "Integrierter grenzüberschreitender Rettungsdienst Pomerania/Brandenburg". Zwar arbeite man schon seit Jahren zusammen, nun sei eine dauerhafte Vernetzung der Rettungsdienste in der Boden- und Luftrettung das Ziel, sagte Projektleiter und Professor an der Uni-Medizin Greifswald, Konrad Meissner. Dazu müssten rechtliche Normen abgestimmt, Sprachbarrieren abgebaut und Standards erarbeitet werden, wie die Leitstellen in Stettin und Greifswald künftig miteinander kooperieren.

Die Verflechtung im deutsch-polnischen Grenzraum sei gestiegen, der Tourismus wachse - all das führe zu einem Anstieg medizinischer Notfälle, verdeutlichte Meissner. Oftmals müssten noch deutsche oder polnische Patienten an der Grenze in einen anderen Rettungswagen umgelagert werden. 

Ein Kooperationsvertrag zwischen der Wojewodschaft Westpommern und dem Landkreis Vorpommern-Greifswald über die grenzüberschreitende Notfallversorgung sei bereits in der Endabstimmung. "Das Projekt soll diesen Vertrag mit Leben füllen", sagte der Sozialdezernent des Landkreises, Dirk Scheer. "Wir nehmen damit an der deutsch-polnischen Grenze einer Vorreiterrolle ein."

In dem Projekt geht es zunächst um rechtliche und organisatorische Standards. Darüber hinaus wollen deutsche und polnische Rettungsdienste in einem Simulationstraining die grenzüberschreitende Versorgung von Notfallpatienten üben. Dazu kommt ein Simulations-Rettungsfahrzeug zum Einsatz, mit dem Handlungsabläufe gemeinsam trainiert werden. Zudem sollen die Retter das fremdsprachliche Fachvokabular sicher anwenden können - und entsprechend geschult werden.

Auf einen Zeitpunkt, wann die Rettungsdienste so kooperieren wie die Kollegen im niederländischen und österreichischen Grenzraum, wollte sich keiner der Projektpartner festlegen. Der Greifswalder Gesundheitsökonom Steffen Fleßa brachte aber einen weiteren Aspekt in die Diskussion - die medizinische Grundversorgung, auch wenn der Weg dahin noch weit sei.

Auf der polnischen Seite der Insel Usedom in Swinemünde arbeitet ein Krankenhaus, unter anderem mit Geburts- und Kinderstation. Es könnte als Inselkrankenhaus fungieren und damit vor allem im Sommer Probleme lösen, wenn deutsche Rettungswagen sich durch Urlauberstaus nach Wolgast oder Greifswald quälen müssen. Administrative und technische Fragen ließen sich klären, sagte Fleßa. "Die größten Barrieren gibt es in den Köpfen der Menschen."