Peptide senken Herzinfarktrisiko nach Infektionen

Durch bestimmte Immunzellen erhöht sich das Herzinfarktrisiko von Herz-Kreislaufpatientinnen und -patienten nach einer Infektion um das Zwanzigfache. Es gibt aber Moleküle und Antikörper, die sie ausbremsen und sogar vor einer Infektion schützen.

Herzinfarktrisiko nach Infektionen senken

Durch bestimmte Immunzellen erhöht sich das Herzinfarktrisiko von Herz-Kreislauf-PatientInnen nach einer Infektion um das Zwanzigfache. Es gibt aber Moleküle und Antikörper, die sie ausbremsen und sogar vor einer Infektion schützen. Das haben WissenschaftlerInnen am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) im Mausmodell nachgewiesen.

Ein Team um Prof. Oliver Söhnlein vom Klinikum der Universität München ahmte bei Mäusen eine akute bakterielle Infektion nach, um das erhöhte Infarkt-Risiko besser zu verstehen. Die Mäuse hatten zudem eine Atherosklerose und waren daher ein geeignetes Modell für Infarkt-gefährdete Herz-Kreislauf-PatientInnen. Bei einer Atherosklerose ist die Innenwand der Blutgefäße chronisch entzündet und es bilden sich Ablagerungen, die Plaques. Wenn sich diese Ablagerungen lösen, können sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. Die Forschenden beobachteten, dass die Infektion die Plaques der Mäuse vergrößerte und die Entzündungen sich verstärkten.

Positiv geladenes Lockmittel

An den Gefäßablagerungen sammelten sich vermehrt bestimmte Immunzellen an, die Neutrophilen. Die Infektion hatte sie aktiviert, wodurch sie NETs (Neutrophil Extracellular Traps) freisetzten. NETs bestehen aus DNA und Proteinen aus dem Inneren der Neutrophilen und sollen eigentlich Krankheitserreger binden. Das Protein Histon H2a in den NETs locken noch andere Immunzellen an, die Monozyten. "Histon H2a ist stark positiv geladen und liegt normalerweise im Zellkern vor. Mit der Freisetzung der NETs gelangt es nach außen. Die Zelloberfläche von Monozyten ist negativ geladen, wodurch sie am positiv geladenen Histon H2a und damit an den Ablagerungen kleben bleiben", erklärt Söhnlein. Die Monozyten dringen dann in die Gefäßwand ein und verwandeln sich dort in Fresszellen. Damit rufen sie Entzündungen hervor und fördern die Entstehung der gefährlichen Ablagerungen.

Mini-Proteine könnten vor Herzinfarkt schützen

Gegen das Histon H2a oder sehr kleine, spezifische Proteine eingesetzte Antikörper, die nur an Histon H2a binden, hafteten keine Monozyten an Histon H2a und die Atherosklerose verschlimmerte sich nicht. Damit eröffnet sich eine neue Therapieoption für Herz-Kreislauf-PatientInnen mit einer akuten Infektion. Denn gegen das Histon H2a gerichtete kleine Proteine, die Peptide, könnten auch bei ihnen verhindern, dass sich atherosklerotische Läsionen und damit das Herzinfarktrisiko vergrößern.

Komplikationen bei COVID-19 abmildern

"Auch Viren und andere Bakterien rufen eine Freisetzung von NETs hervor. Wenn sie zudem Herz-Kreislauf-Komplikationen verursachen, könnten infizierte Patienten von einer gegen NETs beziehungsweise Histone gerichteten Therapie profitieren. Das müsste allerdings noch in entsprechenden Studien nachgewiesen werden", so der Münchner Forscher. Neutrophile sind maßgeblich an schweren COVID-19-Symptomen wie Lungenschäden und Thrombosen beteiligt. Auch dort setzen diese Immunzellen NETs frei. Die darin vorkommenden Histone aktivieren die Blutgerinnung und lösen damit Thrombosen aus. Eine auf Histone abzielende Therapie könnte laut Söhnlein schwere COVID-19-Verläufe abschwächen.

Quelle: Endotoxinemia Accelerates Atherosclerosis via Electrostatic Charge-Mediated Monocyte Adhesion. Schumski A, Ortega-Gómez A, Wichapong K, Winter C, Lemnitzer P, Viola JR, Pinilla-Vera M, Folco E, Solis-Mezarino V, Völker-Albert M, Maas SL, Pan C, Perez Olivares L, Winter J, Hackeng T, Karlsson MCI, Zeller T, Imhof A, Baron RM, Nicolaes GAF, Libby P, Maegdefessel L, Kamp F, Benoit M, Döring Y, Soehnlein O. Circulation. 2020 Nov 10. https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.046677