Die Pflegeheime sind voll - immer mehr Menschen sind auf Hilfe angewiesen, weil die Gesellschaft altert. Aber es gibt nicht genug Pflegerinnen und Pfleger. Die Politik will mit einem Gesetz für bessere Bezahlung gegensteuern. Das wird viel kosten.
Das Bundeskabinett hat ein Gesetz für höhere Löhne in der Alten- und Krankenpflege auf den Weg gebracht. Ziel ist es, dass möglichst in der gesamten Pflegebranche künftig Tariflöhne gezahlt werden. Alternativ sollen die geltenden Mindestlöhne in der Pflege angehoben und in Ost und West vereinheitlicht werden. Die Gewerkschaften sprechen von einem überfälligen Schritt. Private Pflegeheimbetreiber kritisieren das Vorhaben. Auch Patientenschützer stellen die Frage, wer die Lohnanhebung bezahlen soll, die zwei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten dürfte.
Konkret strebt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit seinem Gesetz an, einen Tarifvertrag, den Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter noch aushandeln müssen, anschließend für die gesamte Branche als verbindlich zu erklären. Gelingt das nicht, will der Minister über eine Erhöhung der Pflege-Mindestlöhne die Bezahlung in der Branche verbessern. Es soll dann außerdem nicht mehr nur Mindestlöhne für Hilfskräfte geben, sondern auch spezielle Lohnuntergrenzen für ausgebildete Fachkräfte und keine Unterschiede mehr zwischen Ost und West. Das Gesetz soll im Herbst vom Bundestag verabschiedet werden.
Momentan gilt im Westen und Berlin ein Mindestlohn von 11,05 Euro pro Stunde, im Osten von 10,55 Euro. Im Bereich Alten- und Krankenpflege arbeiten rund 1,6 Millionen Menschen. Es sind aber fast 40.000 Stellen unbesetzt - bei einer wachsenden Zahl von Menschen, die auf Pflege angewiesen sind.
"Es geht um Fachkräfte, aber vor allem um Menschen in der Pflege, die sich bessere Löhne verdient haben", sagte Heil am Mittwoch in Berlin. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die der Gesellschaft etwas wert sein müsse. "Wenn wir nicht zu höheren Löhnen kommen, werden wir zu wenig Menschen gewinnen, die in der Pflege arbeiten." Man müsse den Beruf attraktiver machen, auch um junge Menschen zu motivieren und um schon in der Pflege Beschäftigte zu halten.
Große Zustimmung kommt von den Gewerkschaften. Die Bundesregierung habe erkannt hat, dass man die gesellschaftlich so relevante Altenpflege nicht dem Markt überlassen dürfe, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand laut einer Mitteilung. Pflegekräfte dürften nicht skrupellos ausgebeutet werden. Ähnlich äußerte sich Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): Es sei allerhöchste Zeit, "denn viele Pflegende sind so am Limit, dass sie aus ihrem Beruf flüchten und sich die Personalnot in der Pflege immer weiter verschärft", sagte sie der dpa.
Kritik kommt dagegen von privaten Pflegeheimbetreibern. Der vorgelegte Gesetzentwurf sei reine Symbolpolitik, sagte Rainer Brüderle vom Arbeitgeberverband bpa. Ein Gesetz, das jetzt auch die Löhne in der Pflege regulieren wolle, sei "überflüssig, rückwärtsgewandt und leistet keinen wesentlichen Beitrag zu einer noch besseren Bezahlung für die Pflegenden". Zu Brüderles Kritik sagte Heil: "Ich nehme zur Kenntnis, dass noch nicht alle überzeugt sind". Aber die Art und Weise sei ein Schlag ins Gesicht vieler Pflegender. "Und wer nicht begreift, dass wir besser bezahlen müssen, wer glaubt, dass wir allein mit Zuwanderung dieses Problem lösen, der hat - glaub ich - in der Pflege nicht viel begriffen."
Bedenken meldet aber auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz an. "Ohne Zweifel braucht es höhere Löhne in der Altenpflege", sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. Aber der Gesetzentwurf lasse offen, wer das alles zahlen solle. Brysch befürchtet, dass am Ende die Pflegeheimbewohner die Mehrausgaben von bis zu fünf Milliarden Euro stemmen müssen, über einen höheren Eigenanteil für ihren Heimplatz. Dabei sei schon heute mehr als ein Drittel der Bewohner auf Sozialhilfe angewiesen.
Über die Finanzierung der Pläne werde man in der Regierung sprechen, wenn man wisse, wie hoch in der Gesamtsumme die Lohnsteigerungen sein werden, sagte Heil. Im Moment ist das noch unklar, weil der geplante repräsentative Tarifvertrag noch nicht ausgehandelt ist, den der Minister für allgemeinverbindlich erklären könnte. Sicher sei aber, dass das Ganze "nicht auf dem Buckel der Angehörigen" finanziert werde, so Heil. Das will er über ein weiteres Gesetz, dass noch im Sommer vorlegt werden soll, ausschließen.
Theoretisch möglich zur Finanzierung der geplanten Lohnsteigerungen in der Pflege wären ein Steuerzuschuss vom Staat für die Pflegeversicherung oder auch eine weitere Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge. Im Moment liegt der Beitragssatz bei 3,05 Prozent des Bruttos - Kinderlose zahlen 3,3 Prozent. Die Beiträge waren zum Jahresanfang erhöht worden. Dadurch werden jährliche Mehreinnahmen von 7,6 Milliarden Euro erwartet. Möglicherweise können die geplanten Lohnsteigerungen in der Pflege vorerst auch dadurch aufgefangen werden.