Als Scheinmedikamente ohne pharmakologische Wirkstoffe kommen Placebos in klinischen Studien häufig als Vergleichsgröße zum Einsatz. Dass sie überraschend starke Effekte erzielen können, selbst wenn die StudienteilnehmerInnen das Placebo wissentlich einnehmen, wurde nun am Department für Psychische Erkrankungen des Universitätsklinikums Freiburg wissenschaftlich belegt.
"Die bewusste Einnahme eines Placebos mag zwar etwas verrückt erscheinen, aber sie hat in diesen Studien gewirkt – und damit die gezielte Täuschung der PatientInnen unnötig gemacht", sagt Prof. Dr. Stefan Schmidt, Leiter der Sektion Systemische Gesundheitsforschung an der Klinik für Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. "Dass Placebos ohne pharmakologisch aktive Substanzen das Geschehen im Gehirn oder den Hormonhaushalt beeinflussen und erstaunliche Therapieerfolge erzielen können, wussten wir seit langem", so Schmidt. Bisher wurde die Wirkung der Placebos jedoch der Erwartung der PatientInnen an ein aktives Medikament zugeschrieben. Neuere klinische Studien lieferten jedoch erste Hinweise, dass die Täuschung über den fehlenden Inhalt des Placebos unnötig sein könnte.
Um die Wirkung offen verabreichter Placebos wissenschaftlich zu belegen, verglich das Forschungsteam um Schmidt in einer systematischen Übersichtsarbeit 13 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 834 PatientInnen. Die in den einzelnen Studien behandelten Diagnosen reichten von Rückenschmerzen und Reizdarmsyndrom über Depression, Fatigue und ADHS bis zu Heuschnupfen und Hitzewallungen. Den PatientInnen war offen mitgeteilt worden, dass sie ein Placebo erhalten. Zudem wurden sie über die prinzipielle Wirkung von Placebos informiert und um die regelmäßige Einnahme der Tabletten gebeten. Die Metaanalyse der Studien belegte laut Schmidt die erstaunliche Wirkung: "Wir konnten erstmals wissenschaftlich gesichert zeigen, dass auch offen verabreichte Placebos wirksam sein können." Sollten offen verabreichte Placebos auch im Klinikalltag Anwendung finden, könnten sie anstelle der gezielten Täuschung zusätzliche Offenheit in die Beziehung zwischen Behandler*innen und Patient*innen bringen.
Quelle:
Effects of open-label placebos in clinical trials: a systematic review and meta-analysis.