Sobald Senioren schwächer oder gebrechlich werden, erhöht sich das Sturzrisiko. Am Fraunhofer-Center AICOS in Porto wurde ein Projekt namend FRADE entwickelt, dass durch eine sensorbasierte Analyse der Bewegungsabläufe ein individuelles Trainingsprogramm entwickelt.
Viele ältere Menschen haben Angst, in der eigenen Wohnung zu stürzen und dann keine Hilfe rufen zu können. Auch für die Angehörigen oder die Pflegekräfte ist das eine psychische Herausforderung. Nun hat das Fraunhofer Center for Assistive Information and Communication Solutions (AICOS) im portugiesischen Porto mit dem Projekt FRADE (pervasive platform for Fall Risk Assessment, Fall Detection und Fall Prevention) ein mehrstufiges Konzept entwickelt, das einerseits präventiv wirken und Stürze verhindern soll und andererseits für schnelle Hilfe nach einem Sturz sorgt.
Zuerst wird der Sturzrisikofaktor ermittelt, indem durch verschiedene Tests die typischen Bewegungsabläufe der Person analysiert werden. Unter Anleitung einer therapeutischen Fachkraft müssen dann bestimmte Bewegungen ausgeführt und mehrmals wiederholt werden, z. B. vom Stuhl aufstehen, ein paar Schritte umhergehen oder die Knie beugen. Ein Beschleunigungssensor, der an der Kleidung befestigt wird, registriert die Bewegungen und schickt die Daten über Bluetooth Low Energy (BLE) an einen Computer. Manche Übungen werden durch eine drucksensitive Fußmatte ergänzt, die die Verteilung des Körpergewichts auf den Fußsohlen registriert.
Auf einem großen Display wird die plantare Druckverteilung graphisch und in Echtzeit angezeigt. Das System erkennt, wenn die Person etwa beim Beugen der Knie die Füße ungleichmäßig belastet und damit vielleicht Probleme mit dem Gleichgewicht bekommt. Auf einem Rechner wird eine Software installiert, die mithilfe spezifischer Algorithmen die Messdaten auswertet, die über USB an den Rechner geschicht werden. Aus all den Daten entstehe ein individuelles Bewegungsprofil, mit dem das Sturzrisiko des jeweiligen Menschen ermittelt wird, erklärt Projektleiterin Joana Silva. Alle Infos landen auf einem Backend-Server, der gleichzeitig als zentrale Datenspeicherungs-Plattform für die Pflegerinnen und Pfleger dient.
Anschließend wird ein Trainingsprogramm erstellt, das auf das individuelle Bewegungsprofil bzw. das Sturzrisiko der Person abgestimmt ist. Außerdem erhält sie ein Set aus Sensor und Android-Tablet. Die darauf installiierte Trainings-App zeigt anschaulich, wie die Übungen auszuführen sind. Während die Übungen ausgeführt werden, registriert der Beschleunigungssensor die Bewegungen, ein integrierter Mikroprozessor verarbeitet alle Daten und schickt sie via BLE an das Tablet. Wird das Training zwei bis dreimal pro Woche, kann das Sturzrisiko schon nach etwa acht Wochen erheblich gemindert werden. Seit 2015 wurden bei 400 freiwilligen TeilnehmerInnen Bewegungsabläufe analysiert und gemeinsam mit Therapeuten individuelle Trainingsprogramme entwickelt.
Zusätzlich schickt die Android-App die Daten über den Internetanschluss der Wohnung an den Webserver. Die Fachkräfte des Pflegedienstes oder der therapeutischen Praxis haben so Zugriff auf die Trainingsdaten ihrer Klienten und können bei Bedarf unterstützende eingreifen.
Der Sensor ist so klein, dass er auch bequem im Alltag getragen werden kann. Bei einem Sturz schickt der Sensor via Narrowband IoT (NB-IoT) eine Warnmeldung an den Webserver. NB-IoT ist eine auf kleine Datenmengen optimierte und energiesparende Funktechnik, die sich in bestehende Mobilfunknetze integrieren lässt. Wird NB-IoT nicht unterstützt, nutzt das Sensor-Modul einfach die klassische GSM-Technik. Wenn der Webserver die Warnmeldung erhalten, löst er eine SMS an die Pflegekraft aus. Diese weiß dann sofort, wer hingefallen ist und Hilfe braucht.
FRADE führt verschiedene Aspekte zusammen, die mit der Sturzgefahr bei älteren Menschen verbunden sind. "Wir verknüpfen die verschiedenen Tasks miteinander: die Analyse des Sturzrisikos, die Prävention durch Training und den SMS-Alarm bei einem Sturz – all diese Aufgaben sind nahtlos in einer Plattform integriert", sagt Silva. Das kann auch bei einem Klinikaufenthalt hilfreich sein oder den Arzt bei der Behandlung unterstützen.