Nur Wenige kennen die extrem seltene Krankheit FOP: Wie in einem Alptraum verwandeln sich Muskeln und Bindegewebe in Knochen – und die Betroffenen werden buchstäblich lebendig eingemauert. So werden die Patienten quasi zu Gefangenen ihres eigenen Körpers. WissenschaftlerInnen der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden haben nun ein Protein entdeckt, welches die überschießende Knochenbildung bei FOP hemmt. In Zukunft könnte das ein Therapieansatz sein. Ihre Entdeckung haben sich die ForscherInnen derweil patentieren lassen.
Insgesamt vier Millionen Kinder und Erwachsene in Deutschland sind von einer der mehr als 6.000 seltenen Erkrankungen betroffen. Viele dieser Erkrankungen sind noch nahezu unerforscht und es gibt für die Mehrzahl noch keine passende Therapie.
Eine dieser seltenen Erkrankungen ist die Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP). Für die PatientInnen bedeutet die Diagnose die fortschreitende Verknöcherung des Binde- und Stützgewebes. Gesunde Muskeln, Bänder und Sehnen verwandeln sich in Knochen – alles am falschen Ort – was zu Steifheit und dauerhafter Unbeweglichkeit führt, als ob man dauerhaft in ein Gipskorsett eingezwängt wäre. Das Wachstum dieser Extraknochen kann ohne Vorwarnung ausgelöst werden oder Folge eines leichten Stoßes sein. Die Ursache liegt in einer fehlerhaften Erbinformation. Dabei kommt es zu einem Defekt im Bauplan für den ACVR1-Rezeptor.
WissenschaftlerInnen des Forschungslabors "Bone-Lab" des Universitätsklinikums an der TU Dresden haben nun ein Protein entdeckt, das zwei augenscheinlich unverwandte Systeme mit einander verknüpft. Transferrinrezeptor-2 (Tfr2), verantwortlich für den Eisenstoffwechsel, wurde als neue Komponente im Knochenstoffwechsel entdeckt. Tfr2 bindet sogenannte BMPs, welche für die Mineralisierung des Knochens verantwortlich sind. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team an internationalen ForscherInnen hat das "Bone Lab" nun herausgefunden, dass die Bindungsregion von Tfr2 auch zur Neutralisation von BMPs zur Vermeidung von fehlplatzierter Knochenbildung eingesetzt werden kann.
Prof. Martina Rauner und ihre KollegInnen waren überrascht: "Als wir gesehen haben, wie potent die Bindungsregion von Tfr2 die ungewünschten Ossifikationen, also das Knochenwachstum im Tiermodell der FOP hemmte, war uns klar, dass diese Entdeckung Potenzial für die klinische Weiterentwicklung hat." Martina Rauner, Biotechnologin und wissenschaftliche Laborleiterin des "Bone Lab" hat ihre Karriere dem Studium von Knochenkrankheiten gewidmet.
Bislang gab es für die etwa 700 Patienten weltweit bzw. 30 in Deutschland keine passende Therapie. "Jetzt könnte sich das relativ rasch ändern", sagte Dr. Ulrike Baschant, "die Firma Kymab in Cambridge will auf der Basis unserer Entdeckung in Dresden die klinische Entwicklung von Tfr2 vorantreiben." Die wegweisende Entdeckung ist nicht nur für die Patienten mit FOP, sondern auch für diejenigen mit bekannteren Skeletterkrankungen, bedeutend, so die ForscherInnen abschließend.