Vor 2009 waren die USA ein Land der exzessiven PSA-Wertbestimmung. Wer seinen aktuellen PSA nicht kannte, gehörte fast schon nicht mehr dazu. Doch eine im Jahr 2009 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zur Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchung für das Prostatakarzinom brachte eine 180-Grad-Wende. Doch was war geschehen?
Der Prostatakrebs-bezogene Teil der PLCO-Studie (Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial)1 schloss insgesamt fast 77.000 Männer ein. Diese wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe (38.343) erhielt 6 Jahre lang jährlich einen PSA-Test und eine digitalrektale Untersuchung. Die zweite Gruppe diente als Kontrollgruppe (38.350 Teilnehmer) und bekam keinerlei Früherkennungsuntersuchungen für das Prostatakarzinom.
Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob Männer mit jährlichem PSA-Test tatsächlich häufiger eine Krebsdiagnose – Stichwort Überdiagnostik – bekamen. Darüber hinaus war von Interesse, ob die in der Screening-Gruppe entdeckten Tumorpatienten aufgrund des frühzeitigeren Therapiebeginns eine geringere Prostatakrebs-Sterblichkeit hatten.
Bereits kurz nach dem Ende der Studie wurde klar, dass bis zu 50 % der Männer aus der Kontrollgruppe durchaus mindestens einen weiteren PSA-Test während der Studienlaufzeit bekommen hatten, und zwar außerhalb der Studienzentren. Ein schwerwiegender Mangel, der die Aussagekraft der Ergebnisse schließlich beeinträchtigen kann. Im Ergebnis nach Studienauswertung zeigte sich indes, dass in der Screening-Gruppe tatsächlich 22 % mehr Prostatakarzinome entdeckt wurden, es aber keinen Unterschied in der Mortalität zwischen Screening- und Kontrollgruppe gab. Daraus schlussfolgerten die Studienautoren, dass ein PSA-basierter Test zur Früherkennung des Prostatakarzinoms sinnlos sei, denn er würde ja die Mortalität am Tumor überhaupt nicht beeinflussen.
Die Ergebnisse der PLCO-Studie betreffend Prostatakarzinom durchzogen die USA wie ein Lauffeuer. Kurz darauf geriet der PSA-Test landesweit in Verruf, sodass heute deutlich weniger Tests in den USA durchgeführt werden. Dies verursachte selbstverständlich auch einen deutlichen Rückgang in der Zahl neu entdeckter Prostatakarzinome. Ob damit auch ein Anstieg der Mortalität für das Prostatakarzinom in den USA verbunden ist, werden die kommenden Jahre zeigen.
Das Verheerende daran: Die Studienauswertung war schlicht falsch! Eine kürzlich erfolgte neue Prüfung der Studienergebnisse deckte auf, dass noch weitaus mehr Teilnehmer der Kontrollgruppe, nämlich 90 %, weiter PSA-Tests außerhalb der Studie erhalten hatten. Dies bedeutet aber auch, dass die Kontrollgruppe und die Screening-Gruppe sich eigentlich überhaupt nicht unterschieden und deshalb ebenso bei der Mortalität gar nicht unterschiedlich abschneiden konnten. Das Ergebnis, der PSA-Test sei sinnlos, basiert somit schlicht auf einer falsch geführten Studienauswertung.
Die Europäische Screeningstudie (ERSPC)2 zeigte hingegen schon lange eine Senkung des Mortalitätsrisikos für das Prostatakarzinom mittels PSA-gestützter Früherkennung. Nicht allein auf dieser Basis befürwortet die Deutsche Gesellschaft für Urologie den sachgerechten Umgang mit dem PSA-Test zur Früherkennung. Sachgerecht heißt hierbei: eine altersbezogene Anwendung zwischen dem 50. und 65. Lebensjahr und unter Beachtung weiterer Parameter, wie beispielsweise des Ausgangswertes und des Prostatavolumens. Denn der PSA-Wert war und bleibt der bisher einzige verfügbare Marker zur Früherkennung eines Prostatakarzinoms.
Quellen:
DGU-Eröffnungspressekonferenz, 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU); 29.09.2016, Leipzig.