Psychische Krisen spitzen sich selten gerade dann zu, wenn ein Psychologe in der Nähe einen Termin frei hat. Um Menschen in Not auch am Abend oder nachts zu helfen, gibt es Krisendienste - allerdings noch längst nicht überall in Bayern.
Trennung, Jobverlust, Angstattacken - manchmal sieht man einfach keinen Ausweg mehr aus seinen Problemen. Um Menschen in seelischer Not auch außerhalb üblicher Praxiszeiten zu helfen, richten die bayerischen Bezirke derzeit Krisendienste ein - mit einem Hilfetelefon und mobilen Teams, die im Notfall innerhalb einer Stunde vor Ort sind. Vorreiter sind die Bezirke Mittelfranken und Oberbayern, für den die erste offizielle Kooperationsvereinbarung mit der Polizei unterzeichnet wurde. Auch in Mittelfranken, wo es den Krisendienst bereits seit 21 Jahren gibt, besteht schon seit langem eine enge Zusammenarbeit mit den Beamten.
Die PolizistInnen rufen die ExpertInnen des Krisendienstes zum Beispiel, wenn Menschen verwirrt sind, sich etwas antun wollen oder sich bedroht fühlen. Die ExpertInnen der Krisendienste können die Situation häufig deeskalieren, weiterführende Hilfen vermitteln und so etwa die Zwangseinweisung in die Psychiatrie vermeiden.
Hintergrund für den bayernweiten Ausbau des Angebots ist das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das vor einem Jahr in Kraft getreten ist. Es schreibt den Bezirken vor, bis Juli 2021 eine ganztägig besetzte Anlaufstelle einzurichten. Bislang ist der Status quo bayernweit noch längst nicht vergleichbar, wie Celia Wenk-Wolff, die Gesundheitsexpertin des Bayerischen Bezirketags, erläutert.
In Mittelfranken läuft der Krisendienst über einen eigenen Trägerverein. Dort soll die auch auf Türkisch und Russisch arbeitende Leitstelle demnächst nicht nur abends, sondern von 9.00 bis 24.00 Uhr besetzt sein. Die mobilen Teams sind in Mittelfranken inzwischen ab dem frühen Abend in Bereitschaft, was ebenfalls ausgebaut wird.
In Oberbayern ist die telefonische Hotline seit Anfang Juli rund um die Woche rund um die Uhr erreichbar, die mobilen Teams sind ebenfalls länger unterwegs als vorher. "Wir schauen jetzt mal, wie denn tatsächlich die Nachfrage nachts ist. Nach dieser Bedarfslage richten wir dann auch den Ausbau der mobilen Teams aus", erläuterte Wenk-Wolff.
In Schwaben ist das Bezirksklinikum mit dem Aufbau der Leitstelle beauftragt worden, die Anfang 2020 in Betrieb gehen soll. Die Abdeckungszeiten für die Telefonzentrale und die mobilen Teams sollen stufenweise ausgebaut werden. Ähnlich schaut es in der Oberpfalz aus, wo gerade eine Träger-GmbH mit Sitz in Schwandorf gegründet wird - zusätzlich zu einem bestehenden Angebot in Regensburg, das sich an Suizidgefährdete richtet.
In Oberfranken betreiben künftig die Dr. Loew'schen Einrichtungen als privater Träger mit Sitz in Bayreuth die Leitstelle, die am 1. Januar ihre Arbeit aufnehmen und dann stufenweise ausgebaut werden soll. In Niederbayern ging der Auftrag ans Bezirkskrankenhaus Landshut, wo es vermutlich 2020 losgehen wird, die weiteren Planungen aber noch nicht konkret sind. Auch in Unterfranken , wo es bereits einen lokalen Dienst in Würzburg gibt, ist noch Planungsarbeit nötig: Dort wird die Leitstelle ans Bezirkskrankenhaus Lohr am Main angebunden und geht wie vom Gesetz vorgeschrieben spätestens im Juli 2021 in Betrieb.
Generell hören die Experten in erster Linie einfach erstmal zu, wenn ein Betroffener oder ein Angehöriger in der Leitstelle anruft. "Nach den Erfahrungen, die wir mit den Krisendiensten Oberbayern und Mittelfranken haben, lassen sich etwa 80 Prozent der Probleme am Telefon klären", erläuterte Wenk-Wolff. In den übrigen Fällen werde entweder ein mobiles Team vor Ort geschickt, oder aber ein Termin für den nächsten Tag bei einem sozialpsychiatrischen Dienst oder einer psychiatrischen Institutsambulanz vermittelt.
Ein zusätzliches Angebot macht der Krisendienst Mittelfranken, den Hilfesuchende persönlich aufsuchen können. "Da klingeln die Menschen einfach, die müssen nicht einmal vorher anrufen und nachfragen, wann sie kommen können", erläuterte dessen Leiter Ralf Bohnert. Ihm ist wichtig, dass der Krisendienst nicht nur Anlaufstelle für psychisch Erkrankte ist, sondern generell für Menschen in kritischen Lebenssituationen, die einfach und unkompliziert Hilfe brauchen.