Das zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) lässt weiterhin einige Bereiche der Medizin ohne gesetzliche Quotenvorgaben, die für die Chancengleichheit entscheidend sind. Das bemängeln Pro Quote Medizin (PQM) und der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB) anlässlich der Lesungen des geplanten Gesetzes im Bundestag. Dabei soll dieses Gesetz Lücken schließen, die das erste – seit 2015 gültige – Gesetz offengelassen hat.
"Die Politik muss Möglichkeiten schaffen, die rasch zur Parität in den Spitzenpositionen der medizinischen Fakultäten und Universitätskliniken führen", sagt Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk, eine Hauptinitiatorin von PQM. Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB, fügt hinzu: "Auch die Selbstverwaltungsgremien der Ärzteschaft repräsentieren die wahren Geschlechterverhältnisse in diesem Beruf nur unzureichend."
In der Medizin wirkt sich das Geschlechterverhältnis in den Spitzenpositionen vielfältig aus. Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen sind ein zentraler Aspekt. Doch die Folgen reichen bis zur Versorgung. So hat die DÄB-Erhebung "Medical Women On Top" (MWOT) von 2019 ergeben, dass in den wichtigsten klinischen Fächern nur 13 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind – während gleichzeitig der Frauenanteil bei den StudienanfängerInnen in der Medizin in Richtung 70 Prozent strebt. "Hier zeigt sich ein eklatantes Ungleichgewicht", sagt Kaczmarczyk. "De facto entscheiden zu 87 Prozent Männer, welche medizinischen Fragen wissenschaftlich untersucht werden und wie die Behandlungen erfolgen." Themen wie Gendermedizin oder die medizinischen Folgen des Klimawandels kommen darum zu kurz.
Auch die Selbstverwaltungsgremien der Ärzteschaft sind in der Gesamtheit immer noch weit von einer geschlechtsausgewogenen Vertretung entfernt. "Ohne gesetzgeberischen Druck nähern wir uns der Parität im Schneckentempo", sagt DÄB-Präsidentin Groß. "Das hat das erste Führungspositionengesetz allen deutlich gemacht. Umso wichtiger ist es, dass die Politik Wege findet, um auch in jenen Bereichen der Medizin, die das aktuell diskutierte FüPoG II nicht erfasst, Quoten zu etablieren."
Zuständigkeitsfragen, etwa zwischen Bund und Ländern, dürften die dringend nötigen Schritte zur Parität nicht verzögern.
Um der Parität schnell näher zu kommen, schlagen PQM und der DÄB außerdem deutlich mehr Top-Sharing vor. Dabei teilen sich zwei oder mehr Menschen eine Führungsposition. Laut einer Umfrage von PQM unter habilitierten Internistinnen von Anfang 2019 halten Dreiviertel von ihnen so eine Lösung für praktikabel – und würden sich auch bewerben. "Das entkräftet das Vorurteil, solche Angebote wären unbeliebt", sagt die PQM-Verantwortliche Gabriele Kaczmarczyk. "Es ist höchste Zeit, dass Quoten kommen", bekräftigt sie. "Ohne sie erreichen wir Parität in den klinischen Spitzenpositionen vermutlich erst im Jahr 2052."
Der Forderung von PQM nach paritätischen Quoten in allen Bereichen der Medizin haben sich inzwischen rund 1.000 UnterzeichnerInnen angeschlossen, darunter auch fast 100 ProfessorInnen. Der DÄB setzt sich ebenfalls für Quoten ein und ist ein Partnernetzwerk von PQM.