Viele Menschen leiden unter Rückenschmerzen. Meist liegt ein unspezifischer Schmerz vor, bei dem keine genaue Ursache erkannt wird. Bei etwa einem von vier Patienten mit chronischen Rückenschmerzen kann der Grund jedoch eine chronisch-entzündliche Wirbelsäulenerkrankung wie der Morbus Bechterew sein.
Hierbei entzünden sich Knochen und Weichteile der Wirbelsäule und verursachen große Schmerzen. Im Vorfeld ihres 45. Kongresses weist die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) darauf hin, dass lediglich etwa jeder Vierte dieser Betroffenen eine korrekte Diagnose erhält. Warum so wenige Menschen von ihrer Erkrankung wissen und welche Therapien bei rheumabedingtem Rückenschmerz helfen, erläutern Experten auf der Kongress-Pressekonferenz am 7. September 2017 in Berlin.
"Als Ursache für den Rückenschmerz werden entzündlich-rheumatische Erkrankungen häufig gar nicht oder erst zu spät erkannt", bedauert Dr. med. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet, Herne. Die zwei häufigsten rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen sind die rheumatoide Arthritis (RA) und die axiale Spondyloarthritis (SpA), dessen schwere Verlaufsform hierzulande auch Morbus Bechterew genannt wird. Hierbei entzünden sich die Knochen sowie die anliegenden Sehnen und Bänder der Wirbelsäule und verursachen chronische Schmerzen im Rücken. "In Anbetracht der Erkrankungshäufigkeit von rund einem Prozent der Bevölkerung ist es besonders wichtig, schnelle und sichere Diagnosen zu stellen, um Betroffene frühzeitig zu therapieren. Nur so können Folgeschäden, Einschränkungen und schlimmstenfalls Arbeitsunfähigkeit verhindert werden", betont die Rheumatologin. Mitunter leiden Rheuma-Patienten viele Jahre an Rückenschmerzen bis sie – wenn überhaupt – die richtige Diagnose erhalten.
Den Grund für die häufigen Fehl- und Spätdiagnosen bei Rheuma-Patienten sehen Experten der DGRh darin, dass diese zunächst Hausärzte und Orthopäden bei Rückenschmerzen aufsuchen. Zu selten ziehen die Ärzte dann rheumatische Erkrankungen in Erwägung und überweisen zum internistischen Rheumatologen. "Bereits in der Erstversorgung sollten Patienten unter 45 Jahren, die über 12 Wochen chronische Rückenschmerzen haben, auf Charakteristika einer Rheumaerkrankung befragt werden", empfiehlt Kiltz. "Wacht beispielsweise der Patient aufgrund von Schmerzen regelmäßig in der zweiten Nachthälfte auf oder verbessern sich die Beschwerden bei Bewegung, sollte unbedingt an die Möglichkeit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung gedacht werden." Haben Patienten darüber hinaus bereits andere Vorerkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Schuppenflechte, verdichte sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Rückenschmerz beispielsweise Folge eines Morbus Bechterew sei.
Professor Dr. med. Bernhard Hellmich aus Kirchheim-Teck weist zudem darauf hin, dass aufgrund der Komplexität von rheumatischen Erkrankungen ein multidisziplinäres Vorgehen anzuraten sei. „Auch Bildgebungsdiagnostik wie MRT oder Röntgen muss in enger Abstimmung mit dem Rheumatologen erfolgen, denn für die unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen sind jeweils verschiedene diagnostische Methoden sinnvoll“, so der Kongresspräsident von Seiten der DGRh. Aufgrund seiner Bedeutung für das Fach der Rheumatologie ist die interdisziplinäre Arbeit in diesem Jahr auch ein Schwerpunkt des Kongresses in Stuttgart.
Dr. Uta Kiltz spricht im Interview über die Volkskrankheit Rückenschmerzen und darüber warum entzündlich-rheumatische Erkrankungen als Ursache für Rückenschmerzen oft gar nicht oder erst zu spät erkannt werden.