Das Robert Koch-Institut hat erstmals Daten zum Impfstatus aus den Schuleingangsuntersuchungen und Abrechnungsdaten der niedergelassenen Ärzteschaft in einem gemeinsamen Bericht ausgewertet und in einer Gesamtschau dargestellt.
"Die Ergebnisse zeigen, dass immer noch wichtige Impfziele verfehlt werden. Entscheidende Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind in allen Altersbereichen zu niedrig", betont Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Zudem werden Impfserien zu oft später begonnen, als von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, und nicht zeitgerecht abgeschlossen. Dadurch bleiben Kinder unnötig lange ungeschützt und es werden wichtige internationale Impfziele zur Ausrottung von Polio oder Masern verfehlt.
Bundesweite Untersuchungen zum Impfstatus sind in Deutschland eine Herausforderung. Der größte Teil der Kinder- und Jugend-Impfungen findet in der kinderärztlichen Praxis statt. Alle Impfungen werden im Impfausweis dokumentiert und bei den Schuleingangsuntersuchungen von den Gesundheitsämtern ausgewertet. Ob aber die Impfungen zeitgerecht erfolgt sind, wird in den Schuleingangsuntersuchungen nicht überprüft. Hierzu werden die Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen herangezogen. Für verlässliche Aussagen über das nationale und regionale Impfgeschehen müssen daher die Auswertungen der Schuleingangs- und Abrechnungsdaten zusammengeführt und gemeinsam betrachtet werden.
Die Auswertung ist im Epidemiologischen Bulletin 32/33 2020 erschienen. Der Bericht wird künftig einmal jährlich im Sommer erscheinen. Für die aktuelle Analyse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts die Daten zum Impfstatus aus den Schuleingangsuntersuchungen 2018 und Abrechnungsdaten bis einschließlich 2019 verwendet. Die Analysen zeigten große regionale Unterschiede beim Impfstatus und in manchen Regionen werden ausreichend hohe Impfquoten erreicht. Lokal niedrige Impfquoten können für Ausbruchsgeschehen verantwortlich sein, sobald ein hochansteckender Erreger wie beispielsweise das Masernvirus in solche Regionen importiert wird. Die Ursachen solcher regionaler Impflücken sollten untersucht und Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Generell zeigte sich in den Auswertungen zum Impfstatus bei Schuleingang ein leichter Rückgang der Impfquoten bei den Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten in den letzten Jahren; bei der Impfung gegen Poliomyelitis und Haemophilus influenzae Typ b scheint er dagegen zum Stillstand gekommen zu sein. Die Impfquoten der Hepatitis-B-Impfung sind erstmals wieder leicht angestiegen. Im zeitlichen Verlauf der letzten 10 Jahre stiegen die Impfquoten bei den zuletzt eingeführten Impfungen (wie Meningokokken C, Pneumokokken oder Windpocken). Eine weitere Ausnahme bildet die Masernimpfung mit einem leichten Anstieg über die vergangenen Jahre. Im Alter von 24 Monaten waren zuletzt 68% der Kinder zweimal gegen Masern geimpft. Zum Schuleingang hatten 93% der Kinder die 2. Impfung erhalten. Zum 6. Geburtstag waren rund 35.000 Kinder in Deutschland gänzlich ohne Masernimpfung. Die Auswirkungen des Masernschutzgesetzes werden in den zukünftigen Berichten untersucht werden können.
Die 15-jährigen Mädchen sind über die vergangenen Jahre immer besser gegen Humane Papillomaviren (HPV) geimpft. Dieser Anstieg geht vermutlich vor allem auf das von der STIKO 2014 gesenkte empfohlene Impfalter zurück, einer damit einhergehenden besseren Erreichbarkeit der Kinder über Routinevorsorgeuntersuchungen und der Möglichkeit eines reduzierten Impfschemas. Wie stark die HPV-Impfung von Jungen genutzt wird, für die die HPV-Impfung seit 2018 empfohlen ist, wird ein Fokus des Berichts im kommenden Jahr sein.