Menschen mit salzsensitivem Bluthochdruck sprechen nicht auf herkömmliche Blutdrucksenker an. An der Boston University School of Medicine ist man nun zu neuen Erkenntnissen im komplexen Zusammenspiel zwischen dem sympathischen Nervensystem und den Nieren gelangt. Alpha1-Adrenorezeptor-Blocker reduzieren die Aktivität des Natrium-Wiederaufnahmeprozesses in den Nieren, der die Salzausscheidung steigert und so den Blutdruck senkt.
Etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat zu hohen Blutdruck (arterielle Hypertonie). Ab einem Alter von 60 Jahren ist es sogar jeder zweite Mensch, der erhöhte Werten betroffen und damit ein deutlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen (insbesondere Gefäßverkalkungen/Atherosklerose) hat. Besonders gefürchtete Folgeerkrankungen sind Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch Nierenversagen und Erblindung sind möglich.
Der Konsum von zu hohen Mengen Kochsalz (Natriumchlorid) fördert die Entstehung eine Hypertonie. Salz bindet Wasser im Körper, im Blutkreislauf steigt das Flüssigkeitsvolumen und damit der Druck in den Blutgefäßen. Salzkonsum bedingt bei vielen Menschen Bluthochdruck. Schuld ist eine spezielle genetische Veranlagung (Salzsensitivität), aber auch Diabetes mellitus, Nierenleiden oder Störungen im vegetativen Nervensystem können zur Entstehung von Bluthochdruck beitragen.
Bei PatientInnen mit einem salzsensitiven Bluthochdruck ist typischerweise die Aktivität des sympathischen Nervensystems (Sympathikus) erhöht und ihre Nieren halten zu viel Salz zurück, anstatt es mit dem Urin auszuscheiden (renale „Natriumretention“). Der Neurotransmitter Noradrenalin aktiviert die Alpha-Rezeptoren der Blutgefäße, die verengen sich (Vasokonstriktion) und der Blutdruck steigt. Noradrenalin stimuliert außerdem den renalen Natrium-Chlorid-Cotransporter (NCC) in den Zellmembranen der Nierenkanälchen (Nierentubuli), darum wird vermehrt Natrium aus dem Urin zurück in das Blut transportiert. Der genaue Mechanismus der renale Natriumretention durch Noradrenalin ist jedoch nicht geklärt. Studien zur Erforschung der Adrenalin- oder Noradrenalin-gesteuerten Signalwege des sympathischen Nervensystems, die die NCC-Aktivität regulieren, zeigten bisher keine einheitlichen Ergebnisse.
Alpha-Blocker haben eine gefäßerweiternde Wirkung durch Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur (Gefäßdilatation). Die WissenschaftlerInnen in Boston zeigten: Alpha1-Adrenorezeptor-Blocker reduzieren zusätzlich die Aktivität des Natrium-Wiederaufnahmeprozesses und senken so den Blutdruck. Selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker wurden verwendet, um die Noradrenalin-abhängige NCC-Aktivierung bei einem salzsensitiven Rattenstamm über einen Alpha1-Rezeptor-abhängigen Signalweg nachzuweisen.
Über die Nahrung wurde die Salzzufuhr der Tiere erhöht, woraufhin die NCC-Aktivität und –Expression signifikant zunahmen und sich ein Bluthochdruck entwickelte. Durch die Behandlung mit Alpha1-Rezeptor-Blockern kam es zur Absenkung des Blutdrucks — vermittelt durch eine Verminderung der NCC-Aktivität und der NCC-Expression (d. h. geringere NCC-Zahl auf den Zellmembranen) wurde die renale Salzretention verhindert. Die Alpha1-Rezeptor-Blocker waren effektiv sowohl bei der Gabe vor Start hoher Salzzufuhr als auch bei bereits ausgebildeter salzsensitiver Hypertonie. Detaillierte molekulare Analysen ergaben, dass bei der salzsensitiven Hypertonie (im Gegensatz zu Rattenstämmen mit salzresistenter Normotonie) eine Störung des Enzyms "WNK-Kinase 1/4" vorliegt bzw. eine Fehlfunktion des "WNK/SPAK/OxSR1"-Signalweges, der die NCC-Aktivität reguliert.
"Diese Forschungsergebnisse zeigen, wie komplex die Pathomechanismen und Zusammenhänge von sympathischem Nervensystem und der Nieren bei der Hypertonieentstehung sind", kommentiert Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. "Auch wenn die genauen Pathomechanismen noch nicht geklärt sind, scheinen selektive Alpha1-Rezeptor-Blocker zielgerichtet die salzsensitive Hypertonie unterbinden zu können. Bestätigen sich diese tierexperimentellen Befunde in klinischen Studien, wäre das von großer praktischer Relevanz, da diese Medikamente bei vielen Menschen, bei denen herkömmliche Blutdrucksenker nicht wirken (Patienten mit sogenannter therapierefraktärer Hypertonie), den Teufelskreis durchbrechen und zu normalen Blutdruckwerten führen könnten. Bislang haben wir nur die Möglichkeit, diesen Patienten zu empfehlen, die Kochsalzzufuhr auf ein Minimum zu begrenzen, was aber u.a. auch wegen ‚verstecktem Salz‘ in vielen Lebensmitteln alles andere als einfach umzusetzen ist. Eine zielgerichtete Therapie bei salzsensitiver Hypertonie würde dazu beitragen, dass wesentlich mehr Patienten mit ihren Blutdruckwerten in den Zielbereich gebracht werden könnten und weniger Folgeerkrankungen erleiden."