Durch ungesunde Pulverdämpfe war die Luft in Schießständen der Polizei vor Jahren wirklich mies. Ob dort arbeitende Schießtrainer davon krank wurden, ist nicht klar. Eine wissenschaftliche Studie erbrachte keinen Nachweis. Geld als Entschädigung gibt es trotzdem.
In der jahrelangen Affäre um schadstoffbelastete Schießstände der Berliner Polizei gibt es laut einer Studie der Charité keinen beweisbaren Zusammenhang zwischen der Arbeit in maroden Schießständen und Erkrankungen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universitätsklinik, die am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt wurde.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: "Ein kausaler Zusammenhang ist medizinisch nicht nachweisbar." Er verstehe die Sorge und Erwartungshaltung der Betroffenen. "Wir können aber nicht Wissen durch Glauben ersetzen." Um die Polizisten nicht alleine zu lassen und wegen der Fürsorgepflicht für die Beamten habe man aber extra den Ausgleichsfonds aufgelegt.
Nach neuesten Zahlen erhalten 487 Schießtrainer und Mitglieder von Spezialeinsatzkommandos trotzdem insgesamt 3,3 Millionen Euro Entschädigungen. Die Zahlungen liegen zwischen 3.000 und 80.000 Euro. 299 Anträge wurden abgelehnt. Ein Vertreter der Betroffenen forderte Entschädigung für wesentlich mehr Polizisten. "Wir sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis."
Die betroffenen Trainer und Polizisten hatten viel Zeit in den Schießständen verbracht und immer wieder kritisiert, dass die Luft dort schädlich oder giftig sei. Das soll an giftigem Pulverdampf in der Luft, schlechten Lüftungsanlagen und Asbest in Dämmstoffen gelegen haben.
Der Vorstandschef der Charité, Karl Max Einhäupl, erklärte zu den Aufenthalten der Schießtrainer und Spezialeinsatzkommandos in den Schießständen: "Wir haben keine Hinweise gefunden, dass es durch Expositionen zu langfristigen Störungen kam." Das häufige Schießen und das Einatmen von Giftstoffen aus Munitionsrückständen habe damals sicher akut zu einer Belastung der Atemwege geführt. Das habe aber nicht zu Krankheiten geführt.
Prof. Rudolf Tauber und eine weitere Vertreterin der Charité sprachen über einen Vergleich von drei Gruppen: Polizisten, die viel und selten schossen sowie Menschen, die nicht schossen. Allerdings wurde unter jetzigen, deutlich verbesserten Schießbedingungen getestet, ob die Hypothesen der Polizisten auf Erkrankungen haltbar seien.
Untersucht wurden die Belastung der Lunge und der Atemwege sowie die Konzentration von Blei und zwei anderen Spurenelementen im Körper. Bei der Messung der Lungenfunktionen habe aber keine der Gruppen krankhafte Werte gezeigt. Bei den Viel-Schießern gab es eine leichte Erhöhung von Blei im Blut, der Wert lag aber noch im Rahmen der Normalbevölkerung. Es hätten sich auch keine Symptome von Bleivergiftungen gezeigt.
Die frühere Präsidentin des Berliner Sozialgerichts, Monika Paulat, berichtete von der Kommission, die die Anträge auf Entschädigung bewertete. "Die Kommission hat in etlichen Fällen Anträge zu Gunsten der Antragstellenden ausgelegt. Damit sie überhaupt in den Genuss einer Zahlung kommen konnten."
Abgelehnt worden seien vor allem Fälle von "Gelegenheitsschießern" und Fälle von Antragstellenden ohne medizinische Unterlagen. "Ohne Krankheit kein finanzieller Ausgleich", sagte sie.
Anerkannt seien dagegen 326 Fälle von Polizisten mit "plausiblen Akutbeschwerden" beim Schießen und danach, wie Augenbrennen, Hustenreiz, Atemnot, Hautreizungen. Auffällig sei dabei gewesen, "dass etliche Antragsteller sehr gleichlautende Schilderungen der Akutbeschwerden angeboten haben." Diese Menschen erhielten jeweils 3.000 Euro. Dann wurden für schwerere Fälle 25 mal 7.500 Euro gezahlt. Weiter gab es: 114 mal 10.000 Euro, 8 mal 30.000 Euro, 2 mal 40.000 Euro, 7 mal 50.000 Euro, 3 mal 60.000, 1 mal 70.000 und einmal 80.000 Euro.
Karsten Loest, Vertreter der betroffenen Polizisten, kritisierte, dass die Schießstände vor Jahren viel zu lange trotz der bekannten Probleme benutzt wurden. Anträge von Kollegen seien abgelehnt worden, nur weil sie Beschwerden nicht belegen könnten.
Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe machte der Charité Vorwürfe: "Die Studie vergleicht schlicht Äpfel mit Birnen, wenn anhand der heutigen, viel besseren Situation die damalige Belastung ermittelt werden soll - und beschränkt sich allein auf Lungenprobleme, obwohl allgemein bekannt ist, dass eine sogar nur minimale Bleibelastung eine Vielzahl von Krankheiten verursachen kann und krebsfördernd ist." Dafür seien die Einmalzahlungen von meist 3.000 Euro lächerlich niedrig.
Lesetipp: Im esanum Blog "Atemwege" diskutieren Experten relevante Fragen aus Forschung und Praxis der Pneumologie.