Wie obstruktive Schlafapnoe die Fähigkeit einer Person beeinträchtigen kann, sinnvolle Erinnerungen an ihr persönliches Leben zu bilden
Die weitaus häufigste, bei etwa 5–10 Prozent der Bevölkerung vorkommende Form der Schlafstörung ist das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Eine neue Studie, die von Melinda Jackson, wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT-University) in Melbourne, Australien, geleitet wurde, untersucht die Beziehung zwischen OSAS und autobiografischem Gedächtnis. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass obstruktive Schlafapnoe die Fähigkeit einer Person beeinträchtigen kann, sinnvolle Erinnerungen an ihr persönliches Leben zu bilden. Eine solche Funktionsstörung kann wiederum ein Zeichen von Depression sein, warnen die Forscher.
Betroffene haben oft einen fragmentierten Schlaf, da ihre Atmung immer wieder unterbrochen wird. Da OSAS außerdem den Sauerstoffgehalt im Blut senkt, steigt das Risiko von Herz-Kreislauf-Problemen und Gemüts- und Gedächtnisstörungen zusätzlich. Insgesamt ergibt sich ein stark erhöhtes Risiko für dauerhafte psychische Störungen. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass die Depressionsraten bei Menschen mit OSAS höher sind; die zugrunde liegenden Mechanismen blieben jedoch unklar.
"Wir wissen, dass allzu allgemeine autobiografische Erinnerungen, bei denen sich die Menschen nicht an bestimmte Details von Lebensereignissen erinnern, mit der Entwicklung einer anhaltenden Depression in Verbindung gebracht werden", erklärt Dr. Jackson und fährt fort: "Schlafapnoe ist ein bedeutender Risikofaktor für Depressionen. Wenn wir also die daran beteiligten neurobiologischen Mechanismen besser verstehen können, haben wir die Chance, die psychische Gesundheit von Millionen von Menschen zu verbessern."
In der neuen Studie untersuchte das Team um Dr. Jackson den Zusammenhang zwischen OSAS und autobiografischem Gedächtnis. Die Ergebnisse wurden im "Journal of the International Neuropsychological Society" veröffentlicht.
An 44 Erwachsenen mit OSAS, die diese jedoch nicht aktiv behandelten und 44 gesunden Erwachsenen ohne OSAS untersuchten die Forschenden die Fähigkeit, sich an verschiedene Ereignisse aus ihrer Kindheit, dem frühen Erwachsenenalter und der jüngsten Vergangenheit zu erinnern.
Das Ergebnis: Menschen mit OSAS hatten wesentlich mehr "allgemeine Erinnerungen", bzw. „overgeneral memories“ als Menschen ohne OSAS: wichtige autobiografische Ereignisse werden nicht mit spezifischen Details verbunden und nicht mit den dazugehörigen emotionalen Eindrücken erinnert. In der aktuellen Studie hatten über 52 Prozent der Teilnehmer mit OSAS diese "zu allgemeinen" Erinnerungen. In der Kontrollgruppe waren es weniger als 19 Prozent.
Darüber hinaus verglich die Studie das semantische Gedächtnis mit dem episodischen Gedächtnis. Ersteres beschreibt detaillierte Fakten und Informationen über die persönliche Geschichte einer Person, während letzteres die Fähigkeit beschreibt, sich an umfassendere Ereignisse oder "Episoden" zu erinnern. Das Forschungsteam fand heraus, dass das episodische Gedächtnis von Menschen mit OSAS intakt war, während ihr semantisches Gedächtnis beeinträchtigt war. Sie stellten außerdem eine Korrelation zwischen einer höheren Anzahl autobiografischer Speicher und einem schlechteren semantischen Speicher in beiden Gruppen her.
"Unsere Studie legt nahe, dass Schlafapnoe die Fähigkeit des Gehirns beeinträchtigen kann, bestimmte Arten von Lebenserinnerungen zu kodieren oder zu konsolidieren. Dies macht es den Menschen schwer, sich an Details aus der Vergangenheit zu erinnern", erklärt Dr. Jackson.
"Gehirnscans von Menschen mit Schlafapnoe zeigen, dass in Regionen, die sich mit dem autobiografischen Gedächtnisnetz überschneiden, ein erheblicher Verlust an grauer Substanz auftritt", so die Wissenschaftlerin weiter. "Wir müssen prüfen, ob es einen gemeinsamen neurobiologischen Mechanismus gibt, also fragen: Führt die Funktionsstörung dieses Netzwerks zu Depressionen und Gedächtnisproblemen bei Menschen mit Schlafapnoe?"
In der Zukunft planen Dr. Jackson und ihr Team, "festzustellen, ob eine erfolgreiche Behandlung der Schlafapnoe auch einigen dieser Gedächtnisprobleme entgegentreten oder sogar die verlorenen Erinnerungen wiederherstellen kann".
Quelle: Jackson, Melinda et al.: Autobiographical Memory From Different Life Stages in Individuals With Obstructive Sleep Apnea zuletzt 06.02.2019