Im Alter steigt das Risiko, eine Schluckstörung zu entwickeln, drastisch an: Bei mehr als 50 Prozent der Pflegeheimbewohnenden und rund 70 Prozent aller im Krankenhaus behandelten geriatrischen Patientinnen und Patienten treten altersabhängig bedingte Veränderungen des Schluckaktes (Presbyphagie) auf - mit möglichen Folgen wie Pneumonie, Mangelernährung oder Dehydratation. Das Bewusstsein und Wissen darüber hat in der medizinischen Fachwelt in den letzten Jahren stark zugenommen.
Einen wichtigen Beitrag zu dieser erfreulichen Entwicklung leistet Deutschlands führender Dysphagie-Experte Professor Dr. Rainer Dziewas, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Osnabrück. Der Neurologe hat unter anderem wesentlich bei der Erstellung eines Curriculums zur flexiblen endoskopischen Evaluation des Schluckakts (FEES) beigetragen. Wie sich mit FEES und anderen Diagnose-Tools individuelle Schluckmuster erkennen und darauf aufbauend adäquate therapeutische Strategien auswählen lassen, zeigt Dziewas in seiner Keynote-Lecture beim kommenden Online-Jahreskongress 2021 der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) im September.
"Schluckstörungen werden von vielen älteren Menschen als notwendiges Übel, was mit dem Älterwerden assoziiert ist, verstanden. Aus diesem Grund holen sie sich keinen ärztlichen Rat ein. Umso wichtiger ist es, dass wir Mediziner die Problematik individuell erkennen und behandeln können“, sagt Dziewas. So gibt es zum Beispiel Funktionsbeeinträchtigungen des Schluckens, die auf nicht unbedingt krankhaften altersphysiologischen Prozessen beruhen: Dazu zählen etwa verminderte Geruchs- und Geschmackswahrnehmung, Mundtrockenheit oder die Abnahme von Skelettmuskelmasse (Sarkopenie). Ebenso gibt es Schluckstörungen, die auch mit neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Morbus Parkinson einhergehen – die Prävalenz bei älteren Menschen ist hier am höchsten.
Aufbauend auf der ausführlichen Darstellung der Pathophysiologie des Schluckens stellt Dziewas in seiner Keynote-Lecture unter anderem das Diagnostik-Tool FEES und einen speziellen neurogeriatrischen Diagnose-Algorithmus vor. Auf dieser Basis lassen sich individuelle Schluckstörungsmuster erkennen und daraus spezifische Therapiestrategien für die Patientin bzw. den Patienten ableiten, die der Neurologe im Anschluss vorstellen wird. "Die Behandlungsmöglichkeiten von Schluckstörungen bei älteren Menschen sind heutzutage sehr vielfältig. Sie reichen von der Konsistenzmodifikation der Nahrung über logopädische Strategien und Stimulationstechniken bis hin zu interventionellen Verfahren", so Dziewas.