Viele der jährlich 75.000 durch Sepsis bedingten Todesfälle in Deutschland wären vermeidbar. Und nicht nur das: Auch die hohe Krankenhaussterblichkeit bei anderen Erkrankungen wie dem Herzinfarkt weist auf einen dringenden Reformbedarf im deutschen Gesundheitswesen hin. Aus Anlass des Welt-Sepsis-Tages sowie der Bundestagswahl ruft die Sepsis-Stiftung die Politik daher erneut zum Handeln auf.
Nicht nur die Coronapandemie hat Lücken in unserem Gesundheitssystem deutlich gemacht. Auch bei einigen Akuterkrankungen wie Sepsis und Herzinfarkt gibt es Reformbedarf, denn beim internationalen Vergleich liegt Deutschland mit Krankenhaussterblichkeitsraten, die teilweise doppelt so hoch sind wie in anderen westlichen Industrienationen, weit zurück. Aus Anlass des Welt-Sepsis-Tages, der jährlich am 13. September stattfindet, sowie der diesjhrigen Bundestagswahl ruft die Sepsis-Stiftung daher zur Implementierung einer nationalen Infektionsmanagementstrategie und zu überfälligen Reformmaßnahmen des Gesundheitssystems auf.
Wie wichtig Reformen auf nationaler Ebene sind, betont auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie hält die Mehrzahl der Sepsis-Todesfälle durch bessere Vorbeugung, Früherkennung, Diagnose und Therapie für vermeidbar und hat bereits im Jahr 2017 die Mitgliedsstaaten aufgefordert, der Bekämpfung von Sepsis eine hohe Priorität einzuräumen und entsprechende nationale Maßnahmenkataloge aufzusetzen. Da mittlerweile bekannt ist, dass eine virale Sepsis die Haupttodesursache bei COVID-19 ist, hat diese Forderung in den vergangenen eineinhalb Jahren noch an Brisanz gewonnen.
Deutschland nimmt mit einer Krankenhaussterblichkeit von acht Prozent innerhalb Europas auch hier eine Spitzenposition ein. In fünf europäischen Ländern liegt diese bei bzw. unter vier Prozent. Dabei gibt es ein bemerkenswertes Ungleichgewicht: Denn während Deutschland, gemessen an der Zahl der vermeidbaren Todesfälle (220.000 pro Jahr), hinsichtlich der Qualität seines Gesundheitswesens auf EU-Ebene nur einen Platz im Mittelfeld einnimmt, liegt es bei den Pro-Kopf-Behandlungskosten auf Platz Eins. Auch bei der Zahl der Krankenhaus- und Intensivbetten sowie der Herzkatheterplätze liegt Deutschland international weit vorne.
"Die Ursachen für Versorgungsmängel sind folglich in einem Struktur- bzw. Steuerungsproblem und einer de facto fehlenden externen Qualitätssicherung zu suchen", erklärt Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorstandvorsitzender der Sepsis-Stiftung und Senior Professor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass verbindliche Qualitätsstandards, die Optimierung der Versorgungsstrukturen und die Verbesserung der Gesundheitskompetenz geeignet sind, die Sterblichkeit bei Sepsis und Herzinfarkt zu halbieren und die Effektivität des Gesundheitssystems insgesamt zu steigern.
"Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir in Deutschland sehr engagierte und aufopferungsbereite Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte haben. Auch der Respekt und die Wertschätzung für sie gebieten dringend Reformen. Zudem führt die derzeit mangelnde Patientenorientierung dazu, dass viele gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter desillusioniert unser Gesundheitssystem verlassen", so Reinhart.
Die Sepsis-Stiftung lädt daher am 09.09.2021 zum Gesundheitspolitischen Forum mit dem Thema "Wege zur Überwindung tödlicher Lücken im deutschen Gesundheitssystem" ein. Gesundheitsexpertinnen und -experten werden mit Vertreterinnen und Vertretern der Parteien über den Reformbedarf im deutschen Gesundheitswesen und Lösungsansätze aus der Politik sprechen. Das Programm sowie die Möglichkeit zur Registrierung finden Interessierte unter sepsisforum.de.