Menschen mit rheumatischen Erkrankungen haben laut einer dänischen Studie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko, wenn sie sich zu wenig bewegen. Ein in Dänemark entwickeltes Programm zeigt, dass die Betroffenen nach einem Motivationstraining und durch regelmäßige Kurznachrichten über das Smartphone weniger Zeit im Sitzen verbringen.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) hält das Programm für vorbildlich, denn Bewegung kann wesentlich dazu beitragen, dass das Herzinfarktrisiko bei Menschen mit Rheuma sinkt und erkrankte Gelenke beweglich bleiben. Die DGRh empfiehlt Patienten sich ausreichend zu bewegen – in welchem Maße könne mit dem behandelnden Rheumatologen besprochen werden.
Studien zeigen, dass Menschen mit entzündlichem Gelenkrheuma – in Deutschland sind dies eine halbe Million Menschen – die meiste Zeit des Tages im Sitzen verbringen. "Die Morgensteifigkeit und die wechselnden Schmerzen in den Gelenken haben die meisten Patienten mit rheumatoider Arthritis mit der Zeit demotiviert, sich bewegen zu wollen", sagt Professor Dr. med. Hanns-Martin Lorenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Auch wenn die Beschwerden heute mit Medikamenten gut kontrolliert werden können, seien viele Patienten der Ansicht, dass sie ihre Gelenke schonen sollten, erläutert der Rheumatologe vom Universitätsklinikum Heidelberg. Viele Patienten würden daher neun von zehn Tagesstunden im Sitzen verbringen.
Der Experte warnt vor den Folgen. "Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen", so Professor Lorenz. Die Gefahr, im mittleren Lebensalter einen Herzinfarkt zu erleiden, war laut einer dänischen Studie vor allem für jüngere Frauen deutlich erhöht. Rheumatologen am Rigshospitalet Glostrup bei Kopenhagen haben deshalb eine Schulung entwickelt, die Rheuma-Patienten veranlassen soll, sich häufiger aus ihren Stühlen und Sesseln zu erheben. Im Motivationstraining geschulte Krankenpflegerinnen berieten die Patienten dazu in drei Gesprächen. Zunächst machten Trainerinnen die Patienten auf die Risiken des Bewegungsmangels aufmerksam. Den meisten Betroffenen waren diese Gefahren nicht bewusst. Anschließend loteten die Pflegerinnen zusammen mit jedem einzelnen Patienten aus, welche Möglichkeiten der persönliche Alltag für mehr Bewegung bietet. Dies konnten zunächst Kleinigkeiten, wie der Verzicht auf die Fernbedienung beim Fernsehen, sein. Die Krankenschwestern überlegten mit den Patienten zudem, welche Tätigkeiten, die sie im Sitzen verrichten, auch im Stehen möglich sind. Das Ziel war, die sitzenden Tätigkeiten insgesamt durch regelmäßige Steh- und Gehpausen zu verkürzen.
In einer Studie, die das Team in der Fachzeitschrift Annals of the Rheumatic Diseases (2017; 76: 1603-1606) veröffentlichte, konnte die Sitzdauer der geschulten Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe um mehr als zwei Stunden am Tag verkürzt werden. Zum Erfolg der Interventionen könnten nach Einschätzung von Professor Lorenz auch die SMS-Kurznachrichten beigetragen haben, die die Patienten unter der Woche einmal täglich daran erinnerten, wie wichtig die Bewegung für sie ist.
Die körperliche Bewegung leistete in der Studie – anders als die Betroffenen vermuteten – auch einen wichtigen Beitrag zur Behandlung. Professor Lorenz erläutert: "Schmerzen und Abgeschlagenheit besserten sich in der Interventionsgruppe stärker, ebenso die Lebensqualität und die körperlichen Funktionen."
Bundesweit haben von Rheuma Betroffene die Möglichkeit, in den Gruppen der Deutschen Rheuma-Liga etwas für ihre Bewegung zu tun. Der Selbsthilfeverband hat dafür zusammen mit Physiotherapeuten ein spezielles Bewegungstraining entwickelt: das so genannte Funktionstraining. Es wird seit vielen Jahren erfolgreich angeboten. Die speziellen Übungen dienen dazu, die kranken Gelenke in Bewegung zu halten, die Bewegung selbst zu verbessern und die Patienten bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Funktionstraining wird von Physiotherapeuten angeleitet und findet als Warmwasser- oder Trockengymnastik statt. Die Deutsche Rheuma-Liga organisiert das Funktionstraining jeweils vor Ort.
Es ist eine gesetzlich anerkannte ergänzende Leistung zur Rehabilitation rheumakranker Menschen und wird bei medizinischer Notwendigkeit durch Krankenkasse oder Rentenversicherung – bei Verordnung durch eine Rehabilitationseinrichtung – erstattet.
Themenspecial: Hier finden Sie interessante Neuigkeiten und weiterführende Artikel aus der Welt der Rheumatologie.