Zu krank für die Arbeit - in den vergangenen Tagen war das immer öfter wegen psychischer Leiden der Fall. Was dagegen zu tun ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Die Zahl der Krankentage wegen psychischer Probleme hat sich innerhalb von zehn Jahren auf zuletzt 107 Millionen pro Jahr verdoppelt. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Berlin vorlag. Die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag) berichteten zuerst darüber. 2007 waren es noch 48 Millionen.
Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Ausfallkosten haben sich in diesem Zeitraum den Angaben zufolge sogar fast verdreifacht - von 12,4 Milliarden auf 33,9 Milliarden Euro.
Im Jahr 2018 registrierte die DAK-Gesundheit allerdings erstmals seit 2006 einen Rückgang. Im Januar teilte die Krankenkasse mit, dass die Zahl der Tage, die ihre erwerbstätigen Versicherten wegen psychischer Erkrankungen fehlten, im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken sei. Psychische Erkrankungen waren danach aber immer noch die dritthäufigste Ursache für Fehltage (15,2 Prozent). An erster Stelle standen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (20,9), an zweiter Atemwegsleiden (16,0).
Wie aus der Regierungsantwort weiter hervorgeht, stieg zwischen 2007 und 2017 auch die Zahl der Renteneintritte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund psychischer Störungen an, von rund 53.900 auf mehr als 71.300. 2017 gingen demnach rund 41 200 Frauen vorzeitig wegen psychischer Diagnosen in Rente. Bei den Männern waren es rund 30 100. Die Zahlen basieren dem Bericht zufolge auf Sozialversicherungsdaten und Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Angaben für das Jahr 2018 liegen noch nicht vor.
Die Bundesregierung sieht vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht: Gegen psychische Belastungen würden keine neuen Arbeitsschutzregeln helfen, zitieren die Funke-Zeitungen aus der Regierungsantwort. Ziel müsse vielmehr sein, Betriebe und Beschäftigte zu befähigen, das vorhandene Arbeitsschutz-Instrumentarium zu nutzen. Jutta Krellmann, arbeitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte diese Haltung scharf. "Viele Arbeitgeber fahren auf Verschleiß: Starker Druck, hohe Flexibilität - immer schneller, immer mehr. Beschäftigte werden über ihre Belastungsgrenze getrieben", sagte sie den Funke-Zeitungen. "Die Bundesregierung schaut Däumchen drehend zu."
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Politik gefordert. Die Regierung müsse handeln, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Dass die Bundesregierung angesichts dieser Zahlen einfach schulterzuckend auf die Arbeitgeber verweist, ist eine Frechheit." Die Gewerkschaften hätten schon vor Jahren einen konkreten Entwurf für eine Anti-Stress-Verordnung vorgelegt.