Stimulierung des Sehnervs

ForscherInnen aus der Schweiz und Italien entwickeln eine neue Technologie, von der erblindete Menschen im Alltag profitieren sollen. Mit Hilfe der intraneutralen Elektrode OpticSELINE sollen Botschaften und Signale am Augapfel vorbei und direkt ins Gehirn übermittelt werden.

Botschaften am Augapfel vorbei ins Gehirn schicken

ForscherInnen aus der Schweiz und Italien entwickeln eine neue Technologie, von der erblindete Menschen im Alltag profitieren sollen. Mit Hilfe der intraneutralen Elektrode OpticSELINE sollen Botschaften und Signale am Augapfel vorbei und direkt ins Gehirn übermittelt werden. Zuvor testeten die WissenschaftlerInnen die Technik erfolgreich an Hasen.

Silvestro Micecra, Mitautor der Studie, äußert sich: "Wir glauben, dass intraneutrale Stimulation eine wertvolle Lösung für viele verschiedene neuroprothetische Geräte sein kann, um sensorische und motorische Fertigkeiten wiederherzustellen." Weltweit sind ungefähr 39 Millionen Menschen von Blindheit betroffen.

Es existieren verschiedene Ansätze, Phosphene zu produzieren, ohne Licht direkt zu sehen. Netzhautimplantate beispielsweise sind oft von Ausschlusskriterien betroffen. Zwar sind eine halbe Million Menschen aufgrund von Retinis pigmentosa erblindet, doch nur bei wenigen hunderten eignet sich aus klinischen Gründen eine Netzhaustransplantation. Auch Gehirnimplantate, die direkt den visuellen Kortex stimulieren, stellen eine riskante Methode dar. Der neue Forschungsansatz minimiert die Ausschlusskriterien, da bei den meisten Menschen mit Sehbehinderung der Sehnerv und die Nervenbahnen des Gehirns intakt sind.

Jede einzelne Elektrode verursacht einzigartige Muster

Daher könnten intraneutrale Elektroden die Lösung sein, visuelle Informationen an PatientInnen zu übermitteln. Nach Angaben der ForscherInnen sind sie zudem stabiler und bewegen sich weniger als Elektroden in früheren Forschungsansätzen, da sie direkt durch den Nerv stechen.

Gemeinsam entwickelten die italienischen und Schweizer WissenschaftlerInnen die OpticSELINE, eine Ansammlung aus 12 verschiedenen Elektroden. Um zu testen, wie effektiv diese Elektroden sind, übermittelten die ForscherInnen via OpticSELINE Strom an den optischen Nerv und maßen die Hirnaktivität im visuellen Kortex. Zur Dekodierung der kortikalen Signale entwickelte das Team einen Algorithmus. Dabei konnten sie feststellen, dass jede einzelne stimulierende Elektrode einzigartige Muster in der Gehirnaktivität bewirkt.

Eine visuelle Stütze im Alltag

Diego Ghezzi, Mitautor der Studie merkt an: "Nach unserem Wissen verfügt die intraneutrale Stimulierung über das Potential, informative optische Muster zu übermitteln. Natürlich sind wir auch noch auf das Feedback von Patienten in zukünftigen klinischen Studien angewiesen, um diese Muster zu verfeinern. Doch aus rein technischer Perspektive könnten klinische Studien bereits morgen beginnen."

Nach aktuellem Stand der Elektroden-Technologie könnte OpticSELENE bei Menschen 48 bis 60 Elektroden beinhalten. Diese begrenzte Anzahl an Elektroden ist noch nicht ausreichend, um das Sehvermögen vollständig wiederherzustellen, doch sie genügt nach Ansicht der ForscherInnen bereits, um eine deutliche visuelle Stütze im alltäglichen Leben darzustellen.

Quelle:
Vivien Gaillet, Annarita Cutrone, Fiorenzo Artoni, Paola Vagni, Ariastity Mega Pratiwi, Sandra Alejandra Romero, Dario Lipucci Di Paola, Silvestro Micera & Diego Ghezzi. Spatially selective activation of the visual cortex via intraneural stimulation of the optic nerveNature Biomedical Engineering, 2019 DOI: 10.1038/s41551-019-0446-8