Der Sudan schickte ihnen jahrelang nur Bomben. Ein US-Chirurg hilft den Menschen dort. Das hat auch George Clooney beeindruckt.
Eine Art Heiliger, ein unermüdlicher Lebensretter, ein Kandidat für den Friedensnobelpreis - Tom Catena hat schon viele große Beinamen erhalten. Im persönlichen Gespräch ist der 54-Jährige Amerikaner jedoch vor allem ein freundlicher, religiöser und extrem bescheidener Mann. Er ist im Krisengebiet der Nubaberge im Süden des Sudans der einzige Chirurg für Hunderttausende Menschen. Unbeirrt vom Verbot der Regierung und Bombenangriffen hat er in einem von der Weltgemeinschaft vergessenen Winkel der Erde eine Klinik aufgebaut.
"Ohne uns wären die Menschen dort sich selbst überlassen", sagt er. Die Patienten müssen oft bis zu einer Woche zu Fuß marschieren, um das von dem katholischen Laienmissionar geleitete Krankenhaus "Mutter der Gnade" im Ort Gidel in der Provinz Süd-Kordofan zu erreichen. Dort arbeiten rund 80 Krankenschwestern. Catena steht jeden Tag gegen 5.30 Uhr auf. "Ich brauche keinen Wecker. Ich kann oft nicht schlafen", sagt er. Nach einer Morgenmesse kümmert er sich bis abends um die Patienten - sieben Tage die Woche, schon seit einem Jahrzehnt.
Catena zufolge behandelt sein Team zwischen 200 und 400 Patienten täglich. Doch die Versorgung sei nur schwer sicherzustellen, denn das Krankenhaus liege im Rebellengebiet. Der Weg ins nördliche Khartum sei abgeriegelt, auch wenn derzeit keine Bomben mehr fallen. Die Versorgung müsse daher mühsam über angrenzenden Krisenstaat Südsudan sichergestellt werden. "Ohne Medikamente können wir kein Krankenhaus betreiben", klagt Catena.
Für sein Engagement wurde Catena 2018 mit dem auf rund 1 Million Euro dotierten Aurora-Preis zur Förderung der Menschlichkeit ausgezeichnet. Im Auswahlkomitee saß auch Schauspieler George Clooney. Er lobte Catena als "ein Vorbild für alle". Das US-Magazin Time hatte Catena 2015 in seine Liste der 100 einflussreichsten Menschen aufgenommen. In der Begründung hieß es: "Tom Catena zu treffen, war fast so wie einen Heiligen zu treffen."
Nach seinem Medizinstudium arbeitete Catena zunächst einige Jahre ehrenamtlich in Kenia, später als Berater einer Klinik in Nairobi. 2008 ging er auf die Bitte einer katholischen Diözese hin in die Nubaberge, um dort das Krankenhaus "Mutter der Gnade" aufzubauen, erinnert er sich. Als Aufwandsentschädigung bekommt der Chirurg nach eigenen Angaben nur 350 US-Dollar (310 Euro) im Monat. Aber er will bleiben - bis er die Ausbildung von genug kompetentem Personal organisiert hat. Inzwischen hat Catena auch eine Nuba-Frau geheiratet, eine Krankenschwester.
In den Nubabergen - eine Region etwa von der Fläche Belgiens - sollen bis zu eine Million Menschen leben. Weil die Region Rebellengebiet ist, sind hier keine Helfer der Vereinten Nationen zugegen. Das Krankenhaus "Mutter der Gnade" hat wiederum nur ein kleines Budget. Die Finanzierung kommt von Einzelspendern und kleineren Organisationen wie der deutschen Aktion Canchanabury. Um Geld von großen Hilfsorganisationen zu bekommen, müsste er ständig dicke Fortschrittsberichte schreiben, erklärt Catena. "Dafür müssten wir viele Leute einstellen. Das Geld würde uns woanders fehlen", sagt er.
Das einzige andere Angebot medizinischer Versorgung in der Region kommt von der Hilfsorganisation Cap Anamur an. In deren Klinik in Lwere arbeiten rund 70 Mitarbeiter, darunter eine deutsche Ärztin. Man helfe im Sudan jährlich rund 200.000 Patienten, so Cap Anamur.
Seit gut einem Jahr schweigen in den Nubabergen die Waffen. Die nach Selbstbestimmung strebenden Rebellen und die Regierung bemühen sich um ein Friedensabkommen. Experten sind jedoch nicht besonders optimistisch, denn die Konflikte an der Peripherie des Sudans - etwa auch im westlichen Darfur - schwelen seit Jahrzehnten. Der seit rund 30 Jahren mit harter Hand regierende Präsident Omar al-Baschir ringt derzeit angesichts einer Wirtschaftskrise auch mit Massenprotesten.
"Die Krise in den Nubabergen ist ein vergessener Konflikt", sagt Catena. Bis zur gegenwärtigen Feuerpause bombardierte das Militär Menschenrechtlern zufolge dort nicht nur die Stellungen der Rebellen mit Antonow-Transportflugzeugen, sondern auch zivile Einrichtungen. "Es war eine Politik der verbrannten Erde", sagt auch Catena. Damals habe es viele Schrapnellwunden und Amputationen gegeben. Auch das Krankenhausgelände wurde demnach 2014 zwei Mal von Bomben getroffen. Es habe aber nur Leichtverletzte gegeben, sagt Catena.
Selbst wenn der Konflikt wieder aufflammen sollte, will der Chirurg nicht weichen. "Wir sind hier weit und breit der einzige Ort, wo die Menschen aus den Nubabergen medizinische Versorgung bekommen können."