Bei Tumoroperationen am Hals oder in der Brusthöhle werden mitunter größere Lymphgefäße durchtrennt. Diese konnten bisher nicht wiederhergestellt werden, was lebensbedrohlich sein kann. Ein neues mikrochirurgisches Verfahren ermöglicht nun jedoch, z. B. größere Lymphgefäße des Körpers zu rekonstruieren.
Der Milchbrustgang (Ductus thoracicus) ist das grösste Lymphgefäß des Körpers. Er führt von den Lenden über den Brustraum bis zum Hals. Bei Tumoroperationen im Hals- und Brustbereich kann es geschehen, dass er verletzt oder durchtrennt wird. In der Folge kommt es zu einer starken Sekretion von täglich bis zu zwei Litern milchiger Lymphflüssigkeit aus der Wunde. Stoppen lässt sich der Lymphfluss kaum. Die Flüssigkeit sammelt sich in der Wunde oder der Brusthöhle an, was für Patientinnen und Patienten lebensbedrohlich sein kann.
Mithilfe der Supermikrochirurgie gelingt es heute jedoch immer öfter, den Milchbrustgang wiederherzustellen. Dabei wird Patienten nach einer Tumoroperation am Hals das Lymphgefäß unter dem Mikroskop mit den Venen verbunden und so der Lymphabfluss wieder sichergestellt.
Der Milchbrustgang wird hierfür mit einem blau und einem grün fluoreszierenden Farbstoff eingefärbt, welche in die Haut der Arme oder Beine injiziert oder dem Patienten über eine Magensonde verabreicht werden. Der Farbstoff wird in die Lymphe aufgenommen und das Leck dadurch unter dem Mikroskop sichtbar. Anschliessend werden die offenen Stellen der Lymphgefässe supermikrochirurgisch an eine Vene in der Umgebung angeschlossen und so der physiologische Abfluss wieder gewährleistet.
Möglich ist dies nur dank der neuen technischen Möglichkeiten der Supermikrochirurgie: So kommen beispielsweise spezialisierte Fluoreszenzmikroskope mit bis zu fünfzigfacher Vergrösserung zum Einsatz. Auch die weiteren Instrumente sind superfein: Der Faden, mit dem die Gefäße zusammengenäht werden, ist dünner als ein Haar. Die Nadel ist zwei Millimeter lang und hat einen Durchmesser von 0,05 Millimetern.
"Chirurgisch gesehen galt es bisher als nahezu unmöglich, den Milchbrustgang zu reparieren, weil er manchmal nur einen Millimeter Durchmesser aufweist und man ihn in der Wunde oder der Narbe oft nicht findet", so Frau Prof. Dr. med. Nicole Lindenblatt, Leitende Ärztin der plastischen Chirurgie und Handchirurgie und stellvertretende Klinikdirektorin am UniversitätsSpital Zürich. Bis dato hat man versucht, das Lymphgefäß zu unterbinden, was oft nicht richtig funktioniert hatte. "Für diese Operation braucht es supermikrochirurgische Fähigkeiten", ergänzt Prof. Lindenblatt.
Weltweit wurde die Operation bisher erst wenige Male durchgeführt, in der Schweiz nun zum ersten Mal. Neben Patienten, die sich wegen Tumoren, herzchirurgisch oder nach Unfällen operieren lassen müssen, kann die Operation zukünftig auch Patientinnen und Patienten mit angeborenen Fehlbildungen des Milchbrustgangs helfen.