Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat mit Beteiligung von Dr. Ulf Kallweit von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) die Ursache der chronischen Erkrankung Narkolepsie identifiziert. Die Ergebnisse dieser Studie wurden vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht.
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung und betrifft ca. 40.000 Menschen in Deutschland. Erste Symptome treten oftmals während der Pubertät bzw. im jungen Erwachsenenalter auf, aber auch kleine Kinder können bereits betroffen sein. Hauptsymptome der Erkrankung sind eine chronische und schwere Tagesschläfrigkeit, Einschlafattacken und kataplektische Anfälle.
Zudem können neuropsychiatrische, motorische und metabolische Störungen auftreten. Narkolepsie geht mit einer schweren Minderung der Leistungs- bzw. Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität einher.
Bisher vergehen immer noch vom Auftreten der ersten Beschwerden bis zur Diagnosestellung im Durchschnitt über zehn Jahre. Die Diagnose wird in der Regel durch die Anamnese, Schlaflaboruntersuchungen und eine Nervenwasseruntersuchung, in der der Hypocretinwert untersucht wird, gestellt.
Verursacht wird Narkolepsie durch einen allmählichen Verlust von Nervenzellen im Hypothalamus, die Hypocretin produzieren. Das Neuropeptid ist wesentlich für die Erhaltung von Schlaf- und Wachzuständen, aber auch relevant für das Emotions-, Ernährungs- und Belohnungsverhalten. Bisher bekannt ist, dass dafür sowohl eine bestimmte genetische Veranlagung, das Vorliegen des sogenannten HLA-Allel DQB1*0602 Haplotyps als auch Umweltfaktoren, wie bestimmte Infektionen oder einzelne Impfstoffe, gemeinsam vorliegen müssen. Der Mechanismus, der zu der Zerstörung der Neurone geführt hat, war bisher unbekannt.
In der aktuellen Studie verwendete die Forschungsgruppe eine innovative, aufwendige und besonders sensitive Methode, um das Repertoire der T-Zellen im Blut von Narkolepsie-Erkrankten zu untersuchen. Damit gelang es erstmalig, T-Lymphozyten des Untertyps CD4 (und in einigen Fällen auch solche des Untertyps CD8) zu identifizieren, die gegen Hypocretin und gegen ein anderes Protein ("TRIB2"), das in Hypocretin-Neuronen exprimiert wird, reagieren. Diese T-Zellen können eine Entzündung hervorrufen, wodurch Neurone zerstört werden, oder sie können möglicherweise auch unmittelbar spezifisch die Neurone zerstören, in denen Hypocretin produziert wird.
Die Behandlung der Narkolepsie ist rein symptomatisch, eine Heilung ist bisher nicht möglich. Neben Verhaltensmaßnahmen wie der Einplanung einer Tagesstruktur, in der auch Schlafzeiten tagsüber miteingeplant sind, zielt die medikamentöse Behandlung vor allem auf die Hauptsymptome der Erkrankung. Tagesschläfrigkeit kann durch verschiedene Stimulanzien bzw. wachfördernde Medikamente behandelt werden, andere Medikamente können die Kataplexien lindern.
Dem Ko-Erstautor der Studie und Forschungsgruppenleiter für Klinische Schlaf- und Neuroimmunologie am Institut für Immunologie der UW/H, Dr. Ulf Kallweit, waren bei der Forschung besonders die möglichen Konsequenzen für die klinische Praxis wichtig. Er betont, diese Studie könne dazu beitragen, dass zukünftig möglicherweise schon durch eine Blutuntersuchung auf autoreaktive T-Lymphozyten gegenüber Hypocretin die Narkolepsie einfacher und schneller diagnostizierbar sei. Dies würde auch dazu beitragen, früher eine Behandlung zu beginnen, zum Beispiel, um die Schule erfolgreich abzuschließen oder ein Studium durchführen zu können. Schlafmediziner Dr. Kallweit betont zudem die Bedeutung der Studie für neue Behandlungsmöglichkeiten.
Der Verlust der Hypocretin-produzierende Neurone bei Narkolepsie ist langsam fortschreitend und vermutlich irreversibel. Durch die Kenntnis der genauen Ursache, der autoreaktiven T-Zellen, können nun möglicherweise zu Beginn der Erkrankung diese Zellen unterdrückt werden, sodass dadurch dann der weitere Zelluntergang verlangsamt oder sogar gestoppt wird. Die Schwere der Narkolepsie oder sogar das Fortschreiten der Erkrankung insgesamt könnten dadurch beeinflusst werden. Kallweit: "In einem nächsten Schritt müssen nun entsprechende Therapien entwickelt werden."
Quelle: Uni Witten/Herdecke